Reggae in Berlin

Ohrbooten Interview


Wie seit ihr zur Musik gekommen?

Ben: Ich denke Musik ist bei jedem von uns schon lange ein großer Bestandteil des Lebens. Irgendwann sind dann die Ohrbooten entstanden und seitdem geht es Step by Step voran. Noodt: Es ging vor allem alles sehr schnell. Wir haben uns 2003 kennen gelernt. Da kannte Ben Matze schon eine Weile. Onkel und ich sind auf Ben gestoßen und haben beschlossen eine Band zu gründen. Zwischen dem Zeitpunkt, wo wir zum ersten Mal zu viert geprobt haben und unserem ersten Konzert lagen ungefähr zehn Tage. Vom ersten Konzert zu den ersten Aufnahmen war es noch mal ein Monat. Dann kam auch schon bald der erste, der mit uns arbeiten wollte. Andere Bands verschicken dafür jahrelang Demotapes.
Ben: Wir hatten das Glück, dass es von Anfang an eine gute Resonanz auf unsere Musik gab und dass das erste Konzert auch gleich schon super funktionierte. So was kann man sich nicht vornehmen oder planen. Das Schicksal war einfach gnädig zu uns.

Ihr habt aber schon geplant hauptberuflich Musik zu machen oder war es am Anfang eher ein Hobby?

Noodt: Jeder von uns hat irgendwann beschlossen, dass er Musiker sein möchte und das auch vor den Ohrbooten durchgezogen. Das die Ohrbooten ein fulltime Projekt wurden für das man alles andere stehen lässt, kam dann im ersten Jahr der Bandgeschichte. Unsere Musik schien so gut anzukommen, dass wir uns voll darauf konzentrieren wollten.

Ihr habt im Prinzip als Straßenmusiker angefangen. Was hat sich seit eurem Plattenvertrag für euch geändert?

Noodt: Nicht viel. Wir führen alle mehr oder weniger das gleiche Leben wie vorher. Der Plattenvertrag selber ist eigentlich nur dazu da, um unser Unternehmen in geregelte Bahnen zu lenken. Es ist natürlich viel einfacher sich voll auf seine Musik zu konzentrieren, wenn man eine Industrie hinter sich hat, die einen finanziell und mit Kontakten und Know How unterstützt. Es ist schon ein cooles Gefühl zu wissen, dass man einen Vertrag über drei oder vier Alben hat. Unser Alltag und unsere Empfindungen, wenn wir Musik machen sind aber die gleichen geblieben.
Und wie sieht es mit musikalischen Veränderungen aus?

Ben: Wir haben uns zusammen entwickelt. Wenn man fünf Jahre lang so viel Zeit miteinander verbringt wie wir, geht das nicht spurlos an einem vorbei. Dementsprechend hat sich auch unsere Musik verändert. Das Gefühl, welches jeder von uns beim Musik machen hat, hat sich dadurch eher noch verbessert, weil wir nur noch unsere eigenen Lieder spielen und keine anderen Jobs mehr machen müssen. Wir können von unserer Musik leben und verstehen uns alle auch gut, wobei es dabei natürlich auch Reibungen gibt. Die kann man jedoch aus der Welt schaffen. Das Boot fährt und keiner von uns hat das Gefühl, dass es jetzt aufhören soll.

Ihr kommt ja nun alle aus Berlin. Wie seht ihr denn die Szene heutzutage in unserer Stadt?

Noodt: Das ist immer schwer zu sagen. Es gibt so viele verschiedene Szenen und wir fühlen uns auch keiner richtig zugehörig, muss ich sagen. Wir sitzen stilistisch immer ein bisschen zwischen den Stühlen. Das hat zur Folge, dass wir uns nicht eine Musikrichtung auf die Fahne schreiben sondern, dass es viele Verbindungen zu anderen Musikern aus verschiedensten Richtungen gibt. Es ist wichtig für uns im Austausch mit anderen zu sein und dadurch immer neue Inspirationen zu bekommen.
Die Szene in Berlin ist verzweigt und sehr vielfältig. Es gibt viele unterschiedliche Ansätze, wie man Musik macht.

Wie sieht denn im Allgemeinen der Entstehungsprozess von euren Liedern aus?

Ben: Meistens hat jemand eine Idee und dann wird so lange ausprobiert bis jeder mit dem Ergebnis zufrieden ist. Es ist ein langer demokratischer Prozess. Jede Idee wird erst einmal zugelassen und dann entwickelt sich daraus manchmal ein neuer Impuls. Manchmal ist dann der Anfang vom Song auch gar nicht mehr wiederzuerkennen. Am Ende muss jeder das Gefühl haben, dass das was er macht cool ist und er muss es gerne tun.

Was macht ihr sonst noch so, wenn ihr nicht gerade als Band unterwegs seit oder Musik macht?

Noodt: Es ist schon so, dass die Ohrbooten ein ziemlicher full-time Job geworden sind. Da bleibt wenig Platz für anderes. Das ist vielleicht auch ganz gut, da so der Fokus stärker ist. Wir haben zum Teil auch Familie. Abgesehen davon besteht die gesamte Ohrbooten-Crew, also unsere live Crew, unser Management etc. aus Leuten mit denen wir auch sozusagen privat was machen. Es gibt immer viel zu besprechen, sodass wir uns auch ohne Instrumente zusammen setzten um organisatorisches zu klären.

Ihr singt eure Texte ausschließlich auf deutsch. Bedeutet das, dass ihr euren Fokus auch nur auf Deutschland gerichtet habt?

Ben: auf den deutschsprachigen Raum eben. Ich glaube, dass unsere Musik auch im Ausland funktionieren würde, aber wir haben jetzt keine konkreten Pläne. Wenn sich etwas ergeben würde, würden wir natürlich nicht nein sagen, aber wir haben im Moment andere Sachen zu tun. „Nur“ die Clubs in Deutschland, der Schweiz und Österreich abzuklappern, ist auf jeden Fall schon mal ein gutes Programm.

Ihr selbst bezeichnet euren Stil als Gyp-Hop. Was genau bedeutet dieser Begriff?

Noodt: Gyp-Hop ist die Essenz dessen worauf wir uns geeinigt haben. Wir wollten ein Schlagwort dafür finden, dass unsere Musik auf der einen Seite viele Traditionelles, viel Folkloristisches in sich trägt, aber auch viele moderne Elemente. Gyp steht für Gypsy und Hop eben für Hip-Hop. Ben: Bei uns treffen diese zwei Welten aufeinander. Es gibt viele stilistische Einflüsse und es ist immer mühsam alle aufzuzählen. Grundsätzlich verschließen wir uns vor keinem Stil sondern sind immer offen für Neues.

Und woher kommen all diese Einflüsse?

Ben: Jeder von uns hat erstmal einen persönlichen musikalischen Hintergrund, der in die Band einfließt. Klar gibt es auch gemeinsame Nenner. Ich denke so was wie Bob Marley hat jeder von uns früher gehört.
Dadurch, dass wir jetzt so viel unterwegs sind, entdecken wir auch immer neue Bands, von denen wir uns inspirieren lassen. Wenn das Gefühl, welches wir beim Spielen haben stimmt, denken wir auch nicht mehr drüber nach, wie man diesen Stil nun nennen würde.

Es wird nach wie vor viel Musik illegal aus dem Netz gesaugt. Ich das auch ein Problem für euch oder seht ihr es eher als zusätzliche Verbreitung eurer Musik?

Noodt: Natürlich geht uns dadurch Geld verloren. Andererseits finde ich, dass Musik dazu da ist verbreitet zu werden. Die Industrie hat ein bisschen verschlafen sich diesem Trend anzupassen. Das ist aber nicht unser Problem. Wir können auch gut damit leben weniger Platten zu verkaufen, da wir diesen Livefaktor haben. Wir sind eine Band, die sich vor allem durchs live Spielen definiert und das kann einem keiner nehmen. Das Konzert mit dem Handy mitzuschneiden und dann ins Internet zu stellen, ersetzt einfach nicht das Erlebnis selbst dort zu stehen.
Ich denke dort wird die Entwicklung hingehen und dort kommt sie andererseits ja auch her. Es gab Livemusik, bevor die Plattenindustrie groß wurde und als es dann mit den Aufnahmemedien los ging, meinten alle, die Bands würden untergehen, weil jeder nur noch zu Hause vor dem Grammophon sitzt.
Wir sind nicht wirklich die Verlierer dieser Entwicklung, weil wir eine Liveband sind. Wenn es irgendwann eine neue Technologie gibt, die man nicht so leicht weiterverbreiten kann wie Mp3"s und wir wieder mehr Platten bzw. mehr Musik verkaufen, sind wir auch nicht unglücklich. Uns ist es am wichtigsten, dass Leute unsere Musik hören, ob sie nun dafür bezahlen oder nicht.

Danke für das Interview und viel Spaß heute Abend.