Reggae in Berlin

Shaggy Interview - Summerjam 08

 

Wie fühlst du dich, Shaggy?

Gut. Ich kann mich nicht beschweren. Während meiner gesamten Tour habe ich mich am meisten auf heute Abend gefreut. Im Moment regnet es zwar, aber da macht nichts. I like di ladies wet (lacht).

Dein neues Album ist gerade raus gekommen. Wie waren die Reaktionen darauf bis jetzt?

Das Album war von Anfang an für mein Kernpublikum gedacht. Ich wollte damit zum Kern des Dancehalls zurück. Während meiner Zeit bei Universal war das schwierig zu realisieren. Nach millionenfach verkauften Songs wie Angle oder It wasn"t me ein Album aufzunehmen, das Universal nicht versteht und welches ihnen keine Millionen einbringt, wäre undenkbar gewesen. Ich habe Universal im Oktober verlassen. Im Dezember habe ich dann „Church Heaven“ rausgebracht. Der Song war der Nummer 1 Hit im Januar. Intoxication ist mehr ein Streetalbum, dass sowohl im Radio als auch in den Clubs gespielt werden kann. Bis jetzt waren die Reaktionen sehr positiv.

Was glaubst du ist das Geheimnis deines Erfolgs?

Man muss auch Klassiker in seinem Repatoir haben. Manche Artist touren nur, wenn die einen Hitsong draußen haben. Ich toure immer, egal ob Hitsong oder nicht. Heute werde ich all die alten Song spielen und das Publikum wird abgehen, als wären die Lieder gestern rausgekommen, weil die Leute die CDs zu Hause haben. Wenn ich nach Europa komme, höre ich immer noch Songs wie „Mr. Boombastic“ oder „Oh Carolina“. Wobei ich zugeben muss, dass ich es langsam Leid bin „Oh Carolina“ zu spielen. 1983 bis heute ist eine lange Zeit, aber wenn ich den Song aus meinem Set rausnehme, ist meine Website voll mit Beschwerden von Leuten, die den Tune hören wollten.

Ich bin kein Typ der dem Trend folgt. Ich erschaffe Trends. Und so werde ich heute Abend nicht nur die alten Sachen spielen sondern auch meine neuen Tunes. Es gibt drei Arten von Tunes, welche die Dancehall bestimmen. Gun-Tune, Dance-Tunes und Gyal-Tunes. Gun-Tunes sind nicht mein Ding und Gyal-Tunse habe ich schon zur Genüge gemacht. Ich wollte also etwas finden, womit jeder was anfangen kann, was aber auch keine Kopie von irgendwas ist. So ist auch „Church Heaven“ entstanden.
Leider ist meine Zeit begrenzt und ich werde nicht alle Songs spielen können. In den 20 Jahren meiner Karriere haben sich so einige Hits angesammelt (lacht).
Es ist kein erstes Konzert auf dem Summerjam. Ich habe schon vorher viel davon gehört, aber ich war bisher noch nie hier. Die Promoter haben es einfach nicht geschafft mich zu buchen und heute Abend werden sie sehen, was ihnen da entgangen ist (lacht)

 


Du machst eine Menge Dinge, die andere Artists nicht tun. Siehst du dich als eine Art Vorreiter oder Botschafter in dem Business?

Jeder Künstler der aus Jamaika kommt und weltweit erfolgreich ist, ist eine Art Botschafter, weil er die Musik Jamaikas repräsentiert. Ich habe mich entschieden nicht nur ein Botschafter im herkömmlichen Sinne zu sein, sondern ich möchte erreichen, dass Dancehall vom Mainstream akzeptert wird. Dancehall wird von vielen Menschen auf der ganzen Welt gehört und trotzdem sieht man nicht, dass große Konzerne wie Pepsi oder Coca Cola eine Tour von Shaggy oder Sean Paul supporten. Es steht keine Geschichte dahinter wie in der Popbranche, wo schon viele Erfahrungen mit Britney oder den Backstreet Boys gemacht werden. Die Konzerne haben Angst davor etwas Neues zu probieren. Es kommt erschwerend hinzu, dass sich manche Artists nicht benehmen können und Dancehall daher als schwulenfeidlich verschrien ist.
Die UEFA dazu zu bringen einen Dancehall-Künstler für den EM-Song zu engagieren, war ein hartes Stück Arbeit. Aber warum sollen wir als Reggae- und Dancehall-Künstler nicht auch große Sponsoren hinter uns haben wie Robbie Williams? Deswegen müssen wir unser Image verbessern, sonst schaden wir uns damit nur selbst.

Also meinst du Dancehall-Artist sollten mehr mit der Industrie kooperieren?

Sonst werden wir wohl nicht überleben. Ich habe Millionen Platten verkauft. Sean Paul, der bei Athlantic ist, hat Millionen Platten verkauft, sogar mehr als T. I., aber der bekommt ein größeres Budget als Sean Paul. Warum? Weil er als größerer Superstar angesehen wir. Reggae wird meist für eine saisonale Musik gehalten. Als ich bei Virgin Records war und eine Platte rausbringen wollte, meinten sie die Zeit wäre ungünstig, weil Reggae eine Sommermusik sei. Doch Reggae ist eine Allroundmusik und für mich ist Reggae eine Lebensart!


Du hast dein eigenes Label „Big Yard“. Willst du damit deine Erfahrungen an jüngere Künstler weitergeben?

Jamaika ist voller junger Talente. „Big Yard“ ist für diejenigen da, die wirklich motiviert und ehrgeizig sind. Wir wollten keine Leute denen man hinterher rennen muss und die man ständig kontrollieren muss. Der Impuls muss aus den Künstlern selbst kommen.

Du hattest schon viele Shows in Deutschland. Wie ist deine Beziehung zum deutschen Publikum?

Ich habe eine lange und enge Beziehung zu meinem deutschen Fans seit 1993. Bei Gott ihr bezahlt mich in Euro! (lacht) Nein mal im Ernst. Über die Jahre habe ich einige gute Freunde in Deutschland gewonnen. Stefan Raab zum Beispiel. Ich war in vielen großen Fernsehsendungen in Deutschland ohne bei einem großen Label zu sein. Alles entstand nur durch gute Kontakte. Die Leute betrachten mich als professionellen Künstler und sehen mich gerne wieder in ihrer Show.
Selbst viele Leute hier, die eigentlich eher auf Roots Reggae stehen hören meine Musik, weil ich sehr vielfältige Sachen machen. Ich würde gerne wieder durch Deutschland touren, aber dieses Jahr liegt mein Fokus woanders.
Seit ich Universal verlassen habe, geht es mir darum Shaggy „zu reparieren“. Es geht mir nicht darum viele Platten zu verkaufen, denn das habe ich schon. Ich möchte gegenüber meinem Kernpublikum und gegenüber der Musik glaubwürdig erscheinen. Früher haben wir alle möglichen Arten von Promotion gemacht, aber wir sind nicht viel getourt, was ich jetzt andern möchte. Deswegen bin ich hier auf den ganzen Festivals.

Jeder weiß, dass deine Stimme sich deutlich von den anderen Artist abhebt....

Danke!


Hast du diesen Style konkret entwickelt?

Ich möchte dir dazu eine kleine Geschichte erzählen. Ich war für vier Jahre bei der US Marine. Ich habe damals über sieben Monate im ersten Golfkrieg gekämpft. Auf Parris Island (USA) mussten wir jeden Tag 3-5 Meilen laufen. Eines Tages sollte ich während des Laufs singen, also begann ich zu freestylen. Damals konnte ich das besser als heute, denn jetzt werde ich für meinen Syle bezahlt, er ist also nicht mehr free. Unser Ausbilder fand mich gut, also bekam ich die Aufgabe jedes Mal bei laufen vorzusingen. Das hat meine Stimme wirklich trainiert. „Big up“ habe ich in einem völlig anderen Style gesungen als dann später „Oh Carolina“. Der Song wurde ein Hit. Die Leute waren jetzt diesen Style gewöhnt und liebten ihn. So hat alles angefangen. Es war nicht mein Plan es ist einfach passiert.

Du hast vorhin schon die Zusammenarbeit mit der UEFA angesprochen. Niemand hätte damit gerechnet, dass du den Titelsong für die EM machen würdest. Wie genau kam es dazu?

Es gab eine Menge Spekulationen darüber. Einmal wurde ich von einem Reporter gefragt, warum gerade ich. Ich fragte „Warum nicht ich?“. Ich denke, ich war die perfekte Wahl. Wenn ich aus England kommen käme, würden die Deutschen den Song nicht spielen und wenn ich aus Deutschland kommen würde, würde kein Engländer den Song spielen. Doch ich bin eine unbeteiligte Person und deswegen liebt jeder den Song. Das ich den Tune machen konnte, verdanke ich Ministry of Sound. Sie kamen zu mir und fragten mich, ob ich mir vorstellen könnte da mitzumachen. Es war für mich nichts Neues Sporthymnen zu machen, denn ich habe vorher schon die Hymne für die Reggae Boyz und die Cricket-Hymne gemacht. Sie sagten sie könnten für nichts garantieren, aber sie würden den Song einreichen. Das taten sie dann auch und alle waren begeistert. Es war eine schöne Erfahrung für mich. Ich war bei vielen Spielen und hatte einige Shows. Ich habe aber nicht direkt im Stadion gespielt, weil es noch einen anderen Song von Enrique Iglesias, den keiner kennt. Enrique ist ein guter Freund von mir und wir haben viele Spiele zusammen gesehen. Dass er auftrat, lag allein daran, dass er bei Universal war und die die Spiele im Griff hatten. Ich hatte keinen großen Konzern wie Universal hinter mir, aber ich hatte einen verdammt heißen Number One Hit, deswegen war es mir egal.

Danke für das Interview.