Reggae in Berlin

Berlin Boom Orchestra Interview 2011

 

Wie hat euch die Show gefallen?
 
-war der Burner! Ich war nach dem Aufbau des Equipments auf der Bühne so durchgeschwitzt, dass ich mir überlegt habe, mir oben nochmal ein neues Hemd anzuziehen, aber das war dann doch zu peinlich. Dann konnte ich nach dem dritten Lied nicht mehr, und dann waren die Leute aber so geil, dass dann irgendwann der Punkt kommt, an dem man doch kann. Ich mein, du kannst ja nach drei Liedern nicht einfach sagen „ es ist mir zu warm, ich gehe nach Hause“. Ich muss sagen, dass es auf jeden Fall ein sehr würdiger Tourabschluss war! Das So 36 ist für uns immer eine ganz besondere Sache, weil es für uns einfach wie ein Wohnzimmer ist, auch wenn es nicht ganz so gemütlich ist.
 
Die Atmosphäre war im Publikum definitiv auf dem Höhepunkt, es sind sogar mehrere Leute umgekippt. Bekommt man sowas von der Bühne aus mit?
 
Doch, wenn es direkt vor dir passiert, dann bekommt man das schon mit. Also ich habe schon ein paar Mal ganz üble Sachen erlebt, wo die Leute dann angefangen haben sich zu schlagen oder so. Also es sind schon allerlei Sachen passiert, die man dann mitbekommt, gerade wenn der Club in dem wir spielen nicht so groß ist. Durch das Licht sieht man hier leider nur was in den ersten paar Reihen passiert, darum habe ich das heute nicht mitbekommen. Das Problem hatten wir bei der letzten Show im So 36 leider schon, darum haben Sie heute zwischendurch immer ihre Lüftung angeschmissen und nicht so viele Leute rein gelassen wie beim letzten Mal. Darum tut es mir auch sehr leid, dass das heute wieder passiert ist!
 
Ihr wart die letzten 14 Tage fast durchgängig auf Tour, wie war es und was waren die Highlights?
 
Es gab unheimlich viele Highlights, aber eines meiner persönlichen Highlights war auf jeden Fall Hamburg. Es war für uns einfach eine coole Tour, auf der wir viel rumgekommen sind. Wir sind im tiefsten Westen wie Gelsenkirchen gewesen, genauso wie wir den Norden und den Osten sehen konnten. Im Grunde war es aber so, dass man jeden Abend sagen konnte, dass es ein absolut geiles Konzert war, und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Es war unter der Woche teilweise einfach voll, was natürlich eine total schöne Sache ist! Jede Stadt hatte einfach ihr eigenes Flair und in manchen Läden haben wir schon mal gespielt. Es ist dann schön, wenn man wieder dahin zurückkehrt.
 
Hat man auf Tour denn überhaupt Zeit auch etwas von der Stadt zu sehen, oder ist es wirklich nur auf Tourbus, Location und Schlafunterkunft begrenzt?
 
Im Regelfall ist es tatsächlich so wie du das gerade gesagt hast. Aber dieses Mal war es sehr entspannt, weil unser Booker da eine super Tour hinbekommen hat. Wir hatten wenig Fahrten, die länger als 300 km waren, und dadurch hatten wir genügend Zeit, einiges sehen zu können. Manche sind spazieren gegangen, manche haben ausgepennt. Ich konnte mir zum Beispiel den Rostocker Hafen anschauen.
 
Also macht da jeder mehr oder weniger sein eigenes Ding?
 
Es ist tatsächlich auch so dass wir häufig alle zusammen losgehen, aber es ist auch nicht immer so. Bei so einer großen Gruppe teilt man sich auch oft auf. Die einen machen was ruhiges, die anderen gehen noch dancen oder so. Ich war in Leipzig in einer Karaoke Bar, soviel dazu (beide lachen).
 
Seid ihr bei der Größe der Band ein eingespieltes Team oder kriselt es da ab und zu?
 
Was die Abläufe angeht sind wir ein unheimlich eingespieltes Team, das klappt wirklich total gut. Jeder hat sein Ding und alle gucken auch so ein bisschen auf einander. Aber wir sind auch ganz gut eingespielt uns in gewissen Situationen ganz gut an zu zicken (lacht). Wenn die Emotionen hochkochen, können ganz unterschiedliche Situationen dazu führen sich in die Haare zu kriegen. Man diskutiert dann zum Beispiel wie eine Bullenkontrolle zu bewerten ist, was als Band wirklich der Pickel am Arsch eine Tour ist. Du wirst in Bayern einfach wegen Dope kontrolliert und woanders wegen einem überladenen Tourbus. Okay, unser Bus war auch überladen, insofern war das auch doof. Aber da können wir uns halt drüber streiten, wie diese Kontrollen zu bewerten sind, ob man nun die Polizei Scheiße findet oder nicht. Zudem kommt noch das man nach 10 Tagen Tour auch einfach fertig ist und dann ist halt auch mal gut und dann zickt man sich auch mal an. Aber diese Situationen dauern dann auch nicht lange und laufen auch nicht so krass ab.
 
Seid ihr über die Musik zusammen gekommen oder hat sich die Musik durch den Freundeskreis ergeben?
 
Ne, durch die Musik. Dazu muss man aber sagen das sich die Band aus einer vorherigen Band ergeben hat und sich schon einige Leute kannten, dann sind noch einige neu dazugekommen. Aber mittlerweile ist das das was wir seit 5 Jahren machen und das ist auf jeden Fall auf einer sehr freundschaftlichen Ebene. Also es wird nicht jeder mit jedem bester Freund aber man bedeutet sich etwas. Es ist auf jeden Fall mehr als nur „Arbeitskollegen“ , es ist schon Freundschaft.
 
Geht euer Jahresurlaub für das Orchestra drauf, oder ist es so das eurer Lage so stabil ist das ihr die Musik euren Job nennen könnt?
 
Ne, leider ist das nicht unser Job. Es wäre total cool wenn es so wäre, aber es ist schwierig mit einer großen Band und dann noch mit Reggae über die Runden zu kommen. Wir könnten das zwar so viel machen dass das unser Job wäre, aber es würde dennoch nicht genügend Geld dabei rumkommen. Das ist leider auch der Grund warum viele Bands dann irgendwann auch wieder zurückschrauben. Wir hängen irgendwo dazwischen und würden uns das teilweise auch wünschen. Aber unser Gitarrist ist zum Beispiel Arzt im Krankenhaus, für ihn geht auf jeden Fall ein Teil des Urlaubs drauf. Wir spielen deshalb ab und an auch mit Ersatz. Solang du noch Student bist, geht sowas halbwegs. Ich schreibe zurzeit meine Magister Arbeit, da muss man halt auch im Tourbus seine Sachen schreiben um fertig zu werden. Das ist schon wie ein ´Job, aber einer der unheimlich Spaß macht.
 
Ihr habt vor 2 Jahren „Live aus Kreuzberg“ rausgebracht, kommt ihr alle von hier?
 
Wir haben das damals so genannt, weil es im Festsaal in Kreuzberg aufgenommen wurde. Ein paar kommen hier aus der Ecke, ein paar aus Neukölln, einer in Zehlendorf wo die meisten eigentlich auch herkommen. Er hält dort immer noch die Stellung. Unser Drummer wohnt nördlich von Wittenau. Also wir sind schon ein bisschen über die Stadt verteilt, aber der Kern wohnt schon hier.
 
Ihr kommt aus Berlin, euer Bandname beinhaltet Berlin, was macht Berlin zur geilsten Stadt der Welt?
 
Das ist schwierig zu beantworten, denn so mehr ich rumfahre, desto mehr muss ich meinen Lokalpatriotismus ernsthaft hinterfragen. Aber ich glaub Berlin ist einfach nicht so Deutsch. In Berlin gibt es diesen gewissen Geist, der mit Sicherheit auch auf die Geschichte zurück zu führen ist, darum hat Berlin einfach diese gewisse Kreativität. In Berlin sind Clubs eher spährlich gesäht, in denen du nicht reinkommst, weil du aussieht wie du nun mal aussiehst. Die gibt es mit Sicherheit auch, genauso wie es leider auch Rassistische Einlasskontrollen gibt. Berlin ist nicht so Liberal wie man oftmals denkt, aber ich empfinde es doch als Liberaler als woanders. Hier prallt alles aufeinander und es herscht diese Widerborstigkeit der Menschen. Sie sind unhöflich und scheiße drauf, aber dafür sind sie nicht so künstlich nicht. Ich weiß es selbst nicht, das heißt ich kanns dir schwer erklären. Berlin hat einfach eine Menge Potenzial und hier knistert es auf allen möglichen Ebenen.
 
Berlin ist eure Heimat. Ist es vom emotionalen Standpunkt nach wie vor etwas besonderes in Berlin zu spielen?
 
Ja und nein. Also es ist schon so, dass du natürlich ein relativ entspanntes Konzert hast, wenn du dahin laufen kannst und nach der Show wieder nach Hause laufen kannst. Aber auf der anderen Seite ist hier viel selbst gemacht und man hängt direkt mit drin. Es wird hier eigentlich immer voll, viele Freunde und die Familie sind da. Die Berliner sind in der Hinsicht schwerer zu begeistern weil sie alles schon kennen, und überall schon Zehn mal waren. Also ich war heute richtig aufgeregt, so stark wie lange nicht mehr!
 
Und obwohl ihr hier mehrmals im Jahr spielt war es heute wieder sehr früh ausverkauft.
 
Ja, das war schon geil! Es ist ein schönes Gefühl auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist es schade das man weiß das einige Leute nicht mehr rein konnten. Es ist schon krass zu wissen, dass noch mehr Leute kommen würden! Sowas freut einen dann natürlich. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass so vielen Leuten deine Musik gefällt.
 
Ihr habt seit 2007 jedes Jahr eine Cd veröffentlicht. Dieses Jahr noch nicht. Warum?
 
Dieses Jahr war unser Hauptprojekt das Musikvideo zu „Reisefieber“. Wobei die meiste Arbeit von der Produktionsfirma „Nachtigall Productions“ getan wurde. Aber es war auch für uns eine Menge Aufwand. Wir arbeiten zwar schon an einem neuen Album, aber umso besser du etwas machen möchtest, umso mehr Zeit musst du dir auch nehmen. Nächstes Jahr wird auf jeden Fall etwas neues von uns kommen! Wenn wir an unseren eigenen Plänen festhalten, dann wird man nächstes Jahr einiges von uns hören!
 

 
Da wären wir schon bei der nächsten Frage. Ihr habt dieses Jahr euer aller erstes klassisches Musikvideo veröffentlicht. Wie kommt das?
 
Wir haben schon diverse Livevideos auf Youtube, auf den Zug sind wir auch schon ganz gut aufgesprungen. Aber ein klassisches Musikvideo hat sich bisher einfach noch nie ergeben, weil die entsprechenden Leute nicht an uns herangetreten sind oder weil die Zeit einfach nicht vorhanden war. Ab und an sind Leute zeitlich nicht greifbar oder wir waren mit CD Produktionen beschäftigt.
 
Seid ihr denn mit dem Ergebnis zufrieden?
 
Es ist auf etwas ganz anderes als das woran du bei einem Musikvideo denkst. Ich bin auf jeden Fall damit zufrieden. Es ist nicht so MTV mäßig. Es ist einfach genauso geworden wie ich es mir vorgestellt habe und darüber bin ich auch total glücklich. Ich wusste gar nicht dass man so etwas so umsetzen kann. Für mich war das ganze totales Neuland mit dem Schreiben eines Storyboards, wo überall Lampen hängen, so viele Kabel, ect. Aber es war total geil und ich hab Bock das wieder zu machen! Mir gefällt es gut und ich bin gespannt, was die Leute dazu sagen. Ich habe schon viele positive Reaktionen bekommen, aber manche Leute sind auch erst mal irritiert, weil es einfach anders ist als die gängigen Musikvideos.
 
Hattet ihr eure eigenen Hände mit in den Ideen, zum Beispiel beim Storyboard, oder hat das alles die Produktionsfirma erledigt?
 
Das haben fast alles die Leute von „Nachtigall“ gemacht. Es gab im Vorfeld natürlich ein Treffen, in dem man grundlegende Dinge besprochen hat, aber das Hauptkonzept haben die Leute schon mitgebracht. Die haben sich auch den Song ausgesucht und hatten dazu einfach viele, gute Ideen. Wir haben das ganze eher von der logistischen Seite unterstützt.
 
Was sind eure Pläne für 2012?
 
Auf jeden Fall das Album fertig machen. Wir machen dazu alles selber. Wir haben zwar eine Agentur, die ein paar Dinge macht, aber das ist alles so familiär verwurzelt, dass ich da immer sage, das wir im Grunde alles selbst machen, auch wenn ein paar Leute mit drin hängen, die das beruflich machen. Wir hängen in allen Prozessen sehr stark mit drin. Es kommt heutzutage leider keine Plattenfirma mehr auf dich zu und sagt „hier habt ihr 15 000€. Ihr habt ein halbes Jahr Zeit, fahrt auf die Malediven und seid mal kreativ“. Das machen wir halt alles selbst. Dadurch entsteht so ein Album halt in deiner Freizeit. Wir wollen mit der nächsten Platte einfach einen drauflegen und sowas braucht Zeit und macht eine Batzen Arbeit. Ich denke Ende 2012 bis Anfang 2013 kommt die Cd auf jeden Fall raus!
 
Zu guter Letzt habe ich eine bitte an dich. Werf doch einfach mal 5 Schlagwörter in den Raum die du mit eurer Bandgeschichte verbindest.
 
Oh Gott, ….Schlagwörter,…
Reisverschlusssystem: Jeder der in Deutschland schon mal Auto gefahren ist, weiß, was ich meine. Das ist eine Sache, die die Leute niemals lernen werden.
Boom Faktor: Es würde zu lange dauern das zu erklären.
Viel dazu lernen
Viele gute Erfahrungen sammeln
Und vor allem eine Menge Spaß
 
Ok, vielen Dank für das Interview und ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft!
 
Das Interview führte Marcus nach der Berlin Boom Orchestra Show am 21.10.2011 im SO36