Reggae in Berlin

Protoje Interview 2018

PROTOJE:
Hi to ReggaeInBerlin😊 Was passiert denn beim Reggae in Berlin… Nicht so viel los, oder? War doch aber eine gute Nacht heute, oder…!? Mehr davon!


RIB:
Dem stimmen wir gerne zu…!
Also, danke für die tolle Show und großes Kompliment an deine Band! Ich erinnere mich, dass du bei unserem letzten Interview gesagt hattest, du siehst dich auf jedem Fall als Live Artist… Jetzt ist die neue Platte seit Ende Juni draußen… seid ihr seitdem auf Tour und wie lief es bisher?


 

PROTOJE:

Ja, es ging am 29. Juni in Denver / Colorado los, anschließend sind wir zum ersten Mal mit Berres Hammond und Cocoa T. in der Hollywood Bowl in L.A. aufgetreten, das war großartig! Ich war danach einen Tag in Jamaica und dann ging die Sommertour in Europa los, anschließend zurück in die USA, dann Japan, und jetzt geht es ab hier weiter... 25 Shows in 28 Tagen! Heute war die fünfte Show. Wir sind halt ständig unterwegs und müssen die Vibes behalten…


 

RIB:

Letztes Mal hattest du den Wunsch geäußert, in Afrika aufzutreten… Warst du dort inzwischen?


 

PROTOJE:

Ja, war ich! Ich war in Äthiopien und Tunesien... und Äthiopien war wirklich wie ein Film: es war überwältigend, ich brauchte dort meine eigene Security, es war total crazy…!


 

RIB:
Wie toll! Las uns ein wenig über das Album A MATTER OF TIME reden… Wie kommt es, dass all deine Albumtitel sich immer auf Zeit beziehen?


 

PROTOJE:

Ich bin fasziniert von der Zeit! Wie sie uns beeinflusst, wie wir versuchen, Zeit zu gewinnen oder wenn wir uns mehr Zeit wünschen… Für alles, was wir tun, opfern wir unsere Zeit. Wenn du etwa als Musiker 3 Monate auf Tour bist, kannst du diese Zeit nicht anderweitig verbringen. Dir fehlt diese Zeit für deine Beziehung und deine Kinder, deine Familie und Freunde müssen auf dich verzichten. Mein ganzes Leben habe ich mich damit beschäftigt, wie ich das Beste aus meiner Zeit machen kann. Das kann ich jetzt hier in Berlin tun, aber ich könnte ja auch in Jamaica am sonnigen Beach sitzen und dort ein leckeres Essen zu mir nehmen… Aber es bedarf eben auch einiger Opfer, um zu bekommen, was du willst, und um die Zeit, die du hast, zu genießen.


 

RIB:

Dieses Album A MATTER OF TIME ist ja ein sehr komplexes und kompaktes Album – „nur“ 10 Tracks, 2 Featuring Artists, viele unterschiedliche Music Styles …

 

PROTOJE:

Ah warte! Lass mich was fragen... Brauchen wir denn längere Alben? 1 Stunde? Wie viele Tracks? 12 oder 15? Nein, ich mag kurze Alben. Bob Marleys Alben haben 9 Tracks, Black Uhuru beispielsweise 9 bis 10 Songs… 35 bis 45 Minuten sind meiner Meinung nach eine gute Länge für ein Album. Deshalb ist das Album so… Winta (James, Produzent - Anm. d. Red.) und ich wollten aber auch mit unterschiedlichen Styles und Sounds herumexperimentieren, so wie etwa bei FLAMES, A MATTER OF TIME oder BOUT NOON… Das sind keine klassischen traditionellen Reggae Songs. Mir gefällt es, wenn es eine gewisse Vielfältigkeit gibt. So kam das Album zustande und ich bin echt zufrieden damit. Ich liebe es, unterschiedliche Styles zusammen zu bringen!


 

RIB:
Das setzt sich ja auch bei deinen Lyrics fort. Von BLOOD MONEY bis BOUT NOON … du behandelst ja eine Menge Themen.


 

PROTOJE:
Klar, wir sind ja menschlich… und als Mensch beschäftigst du dich eben mit diesen unterschiedlichen Dimensionen. Du wachst ja auch nicht jeden Tag auf und willst das Gleiche essen. Manchmal ist dir nach einem traurigen Film und manchmal nach Action. Also willst du als Künstler diese unterschiedlichen Seiten auch ausdrücken. Manchmal denke ich über BLOOD MONEY, also Politik und Korruption nach, und manchmal über die Frauen und die Liebe. Wenn ich das nicht in meiner Musik zum Ausdruck bringen würde, wäre es mir zu eindimensional!


 

RIB:

Könntest du denn eine zentrale Message formulieren?

 

PROTOJE:

Liebe! Akzeptanz! Mitgefühl! Verständnis! Empathie! Care for others! Das ist eigentlich alles, was ich mit meiner Musik ausdrücken will. Ich möchte, dass die Leute zu meiner Show kommen, lächeln können, positive Messages zu hören und unterschiedliche Perspektiven einnehmen können. That’s it! Ich will meinen ZuhörerInnen nicht erzählen, was sie zu tun oder zu lassen haben, sondern Ihnen Ideen und Inspirationen vermitteln!


 

RIB:
Nice! Ich finde es ja immer wieder bemerkenswert, wie kontrovers die jamaikanische Musik diesbezüglich ist… Einerseits Concious Roots Style mit positiven und lehrreichn Messages, andererseits Dancehall, der sich ja bei den Lyrics in einer komplett anderen Welt bewegt. Möchtest du dich zu dieser Diskrepanz positionieren?


 

PROTOJE:

Es ist, als hättest du 2 Kinder, die du auf die gleiche Art und Weise großziehst, und du wirst trotzdem nicht 2 gleiche Kinder haben. Vielleicht ist eins brav und eins ungezogen, eins mag still sein, während das andere Lärm macht…

Ich liebe Dancehall Music! Und es gibt viele Protoje-Fans, die gleichzeitig Popcaan- oder Alkaline-Fans sind, und das ist ja im Grunde auch egal, solange sie zuhören. Ich liebe Musik, weil sie mir eine Vibe gibt. Es gibt natürlich Leute, die die Messages sehr ernst nehmen, aber man kann ja auch einfach die Vibes genießen und sich dazu bewegen. Es gibt da Raum für Alles und die Leute müssen selbst wählen, was sie hören wollen. Es macht ja keinen Sinn, diese anderen Aspekte zu verstecken und es liegt an den Leuten selbst, die gute Musik auszusuchen. …und es gibt viel guten Dancehall!


 

RIB:

Hast du jemals andere Lebenspläne gehabt, als Musiker zu werden? Du bist ja in einer sehr musikalischen Familie und Umgebung aufgewachsen. War das immer klar für ich?


 

PROTOJE:

Oh ja! Ich wollte immer an den Olympischen Spielen teilnehmen, das war mein großer Traum. Ich bin früher zuhause immer Staffellauf gelaufen. In unserem Haus konnte man einen Kreis laufen und ich bin da immer rumgerannt, hab mir die Staffel selbst übergeben, mich selbst angefeuert, da ich alleine gespielt habe… Jeden Tag habe ich das gemacht, und dazu habe ich mir Aufzeichnungen der Olympics angesehen! Ich habe das regelrecht studiert: 1968 Mexico, 1972 München, 1976 Montreal, 1980 Moskau, usw. Ich war völlig davon eingenommen und träumte davon, dabei zu sein… Ich wollte unbedingt Sportler werden, aber das hat nie geklappt, was echt hart für mich war. Dann aber habe ich mich mehr und mehr für die Musik interessiert, also wurde das mein Weg…

 

RIB:
Erfreulich für uns…


 

PROTOJE:

Wer weiß... Vielleicht wäre ich ja schneller als Usain Bolt geworden!


 

RIB:

Das ist natürlich traurig für die Sportwelt, aber trotzdem besser für uns…😉

Ich finde immer wieder, dass deine Lyrics sehr lyrisch und sehr wortgewandt sind, sehr ausdrucksstark… Hast du dich irgendwann mal verstärkt mit Literatur und Poesie auseinandergesetzt oder sind es Einflüsse von Texten, die du hörst?


 

PROTOJE:

Ich liebe es, zu schreiben! Ich liebe Stories und Literatur, Bücher lesen, Kompositionen und Essays schreiben. Als ich dann begann, HipHop zu hören, entdeckte ich, dass mir Reimen liegt, und ich die Worte umsetzen kann. Ich habe Slick Rick gehört. Er hat einen Song namens „Children’s Story“ geschrieben, das wie eine gereimte Erzählung ist […rapt den Song...]. Das hat mich fasziniert und inspiriert, selber Stories zu schreiben und zu reimen. So hat das angefangen.


 

RIB:

Es ging also als MC los…


 

PROTOJE:

Ja klar! Ich wollte jahrelang Rapper werden, das war meine erste musikalische Idee. Es gibt eine Menge Dinge, die einem zwischendurch entfallen, aber manchmal erinnere ich mich auch in solchen Interviews an die wirklich wichtigen Leute und Einflüsse für meine Entwicklung, wie etwa Slick Rick. Auch als ich Sean Paul entdeckte, war es eine DJ Crew, die aber auch HipHop machte. Ich dachte, ich könne doch Dancehall im HipHop Style machen. Als ich Damian Marleys „Welcome to Jamrock“ hörte, hat es mich echt begeistert, weil es eine Art ist, Reggae trendy zu machen. So wurde ich zu dem, der ich jetzt bin.

 

RIB:
…mit einer Basis aus Reggae, Roots and Roots Rock Reggae…

 

PROTOJE:

Genau! Mit einem Touch HipHop, Dancehall und Rock. In meiner Show gibt es ja auch viele Rock-Gitarrenparts. Die Band hat sich da auch über die Jahre ein großes Stück weiter entwickelt…


 

RIB:

Letzte Frage: Wenn du einen musikalischen Wunsch frei hättest, was wäre das?


 

PROTOJE

Hmm… Auf der Eröffnung der Fußball WM zu spielen, wäre ein Traum! Es wäre überwältigend, wenn ich dort unsere jamaikanische Musik präsentieren könnte!

 

RIB:
Das wäre in der Tat ziemlich erfrischend und innovativ für eine Fußball WM…

Wir hoffen, es hat dir in Berlin gefallen. Du warst ja nun schon das fünfte Mal hier…

 

PROTOJE:
Oh wow! Echt…?


 

RIB:

Ja! Konntest du dir die Stadt mal ansehen, oder warst du immer nur auf der Durchreise?

 

PROTOJE:

Nur beim ersten Mal… Da konnte ich etwas hier abhängen, war auch mal feiern und hab ne Menge crazy Dinge erlebt. Aber die letzten Male war es immer zu kurz, weil wir so viele Gigs hatten. Berlin wirkt schon echt nice!

Es wäre toll, Europa auch mal anders zu erleben. Vielleicht klappt es ja irgendwann, wenn wir nicht touren, in ein paar Städten mehr Zeit zu verbringen, um sich mal was anzusehen. Ich war ja schon häufig in Europa, aber ich habe nie viel gesehen, da wir ja immer so busy und die ganze Zeit unterwegs sind. Wir haben dieses Mal so viele Shows! Ich werde jetzt gleich duschen, mich schlafen legen und morgen in Hamburg aufwachen, danach kommt Schweden usw…

 

RIB:
Dann von uns alles Gute und wir hoffen, dich bald wiederzutreffen! Vielen Dank, Protoje!

 

Interview Annette Buschermöhle & Perry

Hier die Fotos