Reggae in Berlin

Dub FX Interview 2016

Fanny: Die letzten zwei Wochen wart ihr auf Tour durch Osteuropa. Gibt es für Dich Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen in Europa, zum Beispiel in Bezug auf das Publikum, reagieren die Leute anders? Oder hast Du vielleicht schon ein Tour-Highlight?

 

Ben: Meine Fans finde ich überall, egal wo wir auftreten. Sie reagieren auch sehr ähnlich. Es gibt kleine Unterschiede, in einigen Regionen sind die Leute etwas zurückhaltender. Aber Osteuropäer sind leidenschaftliche Menschen. Die Deutschen würde ich als nicht so verrückt einschätzen, aber sie gehen definitiv richtig mit. Wenn ich sage 'Put your hands up!' reißen alle die Hände hoch. Ich denke, ihr genießt mehr den Moment, wohingegen Osteuropäer auf den ersten Blick cooler erscheinen, aber am Ende dann komplett ausrasten. Da gibt es stärkere Extreme, die ich auch ganz gut nachvollziehen kann. In mir mischt sich Latino-Blut mit angelsächsischem Blut, letzteres geht auf die Wurzeln meines Vaters zurück...

 

Fanny: ... Interessante Mischung! …

 

Ben: ... Ja, ich bin wie ein halb verrückter Latino und die andere Hälfte ist sehr strukturiert.

 

Fanny: Im Grunde liegen also Deine familiären Wurzeln in Europa?

 

Ben: Ja, die Linie meiner Mutter ist komplett italienisch. Mein Vater selbst wuchs in Australien auf, bei ihm reicht das bis in die sechste Generation zurück.

 

Fanny: War dieser Hintergrund der Anstoß, warum Du 2006 nach Europa gekommen bist und mit Deinem Wohnmobil gereist bist?

 

Ben: Auf jeden Fall! Ich kam ursprünglich hierher um meine Mutter in Italien zu besuchen. Unter anderem auch, weil ich von Australien die Nase voll hatte. Damals habe ich so viele verschiedene Band- Projekte ausprobiert. Ich spielte Reggae mit einigen Leuten, hatte eine Jazz- und eine Heavy Metal Band, und experimentierte mit einer Hip Hop Gruppe. Ich machte akustische Solo-Sachen in Bars, und ich war auch als MC mit Techno und House DJs in einigen Clubs unterwegs. Das fing mit 17 an, bis ich fast 22 war. Und meine Mutter meinte immer wieder 'Komm doch nach Europa', und eines Tages sagte ich 'Yeah, warum eigentlich nicht!'.

Also dachte ich, ok, du gehst nach Europa, sammelst als Straßenmusiker Erfahrungen, und versuchst währenddessen an einen Plattendeal in Australien zu kommen. Ich wollte ein "Popstar" wie Justin Timberlake sein ... (lacht)

 

Fanny: ... Ja, das Gesicht dafür hast Du

 

Ben: ... Vielen Dank! Es ging nicht darum super kommerziell zu sein, ich wollte nur im Fernsehen auftreten, das war mein Traum als Teenager. (lacht)

Also, als ich nach Europa kam und als Straßenmusiker anfing, war der Gedanke das nur für ein Jahr zu machen. Erfahrungen sammeln, Geschichten erleben, um dann in der Lage zu sein ein großartiges Album zu schreiben. Am Ende setze die Straßenmusik all das in Bewegung. Mir war es wichtig, kein Pop-Act zu werden. Sondern eher eine Art Straßenkunst zu machen. Ich war auf der Suche, und erkannte, dass ich nur ich selbst sein musste. Das ist meine persönliche Reise des Lernens und Werdens ...

 

Friedel: Sich selbst vertrauen, Selbstvertrauen finden…

 

Fanny: Gab es einen besonderen Moment in Deinem Leben, der Dich in Deiner Entscheidung Musiker zu werden, bestärkt hat? Oder hattest Du schon immer dieses innere Gefühl und es war nur eine Frage der Zeit, das herauszufinden?

 

Ben: Ich hatte Glück, dass meine Eltern und Familie nie versucht haben, mich von dieser Idee abzubringen.

Die Mutter meiner Mutter sagte ihr: "Du kannst keine Musikerin werden." Während die Mutter meines Vaters zu ihm sagte: "Du kannst machen, was du willst, du kannst Schauspieler sein, Musiker...". Und so sind alle Brüder und Schwestern meines Vaters Künstler geworden: ein Schauspieler, ein Musiker, ein Fotograf, eine Stepptanzlehrerin ...

 

Fanny: ... Einer begleitet Dich auch auf dem neuen Album

 

Ben: ... Stimmt! Justin, er ist der Musiker, ein Perkussionist. Er besitzt auch einen Club in Melbourne und spielt dort jede Nacht.

Aber auch meine Mutter schreibt Lieder und macht Musik. Und ihr Bruder spielt Klavier in einer Kirche. So gab es immer viel Musik dank meiner Onkel, Tanten und Eltern ...

 

Fanny: ... Wow, eine ganze Familie von Musikern

 

Ben: ... Der eigentliche Grund, warum ich Musik machen wollte, war, weil ich nicht das Gefühl habe in etwas anderem gut zu sein. Und es ist tatsächlich so. (lacht)

 

Fanny: Aber hey, Deine Musik ist wirklich gut!

 

Ben: Das reicht aus, oder?! (lacht)

 

Fanny: Auf jeden Fall, genau die richtige Entscheidung! Du bist auf dieser Tournee wieder mit einer Band auf der Bühne. Wir haben Andy V und Evan (Tweedy) vorhin schon getroffen. Bitte erzähl uns mehr über die beiden. Wer sind sie und was machen sie?

 

Ben: Also, bevor ich als "Dub FX" begann, war ich immer in verschiedenen Bands. Und mit den beiden habe ich damals schon zusammen gespielt, seitdem kennen wir uns.

Ich hatte eine Band namens 'The Sound Waves', es war eine bunte Mischung, irgendwie Freestyle Jazz. Kennt ihr 'Swag Jam'? Unser Sound war ähnlich. Wobei diese Jungs eher Future Soul, Hip Hop und 'JD Style' mischen. Wir hatten einen anderen Ansatz, die Idee war eine Art Jam Session, über zwei Stunden, live auf der Bühne. Eine Kombination aus Soul, Hip Hop, Reggae und Jazz, im Grunde war es Andy und Evans Band.

Ich traf viele verschiedene Musiker, spielte mit unterschiedlichen Bassisten, aber ich wollte immer mit diesen beiden Jungs arbeiten. Aus dieser Zeit gibt es auch noch andere Bands mit denen ich arbeiten möchte, z.B. "Cat Empire", die sind wirklich groß in Australien. Letztendlich sind wir alle Teil des gleichen Netzwerks ...

 

Fanny: ... In Berlin funktioniert das ähnlich.

Ben, du bist immer noch unabhängig als Musiker und arbeitest mit der 'Convoy Music Group' zusammen. Was ist Convoy genau, welchen Part hat Cade, und wie unterstützt Dich das Label bei Deinen Projekten?

 

Ben: Eigentlich ist 'Convoy' mein Label. Cade ist der Agent, mein Manager, er organisiert die gesamte Logistik rund um die Tour. Wir haben auch einen Deal mit "Membran", welches ein deutsches Label ist. Eines der großen Unabhängigen in Europa. Sie sind spezialisiert auf Jazz, World und klassische Musik. Und ich denke, es ist ein großartiges Label, weil sie in keiner Weise kommerziell sind.

Zuerst wollten sie mich als Musiker unter Vertrag nehmen und mein Major Label werden. Ich meinte aber, dass ich in so vielen verschiedenen Projekten involviert bin, dass es mehr Sinn hätte mein Label unter Vertrag zu nehmen. Als ich ihnen das Album zeigte, war meine Frage 'Was meint ihr'? Und sie antworteten nur 'Was auch immer Du machst, ist in Ordnung!'. Sie vertrauen mir völlig ...

 

Fanny: ... Das ist echte Unabhängigkeit …

 

Ben: ... Ist es in der Tat. Membran ist immer noch sehr unkommerziell. Sie sind definitiv nicht daran interessiert Pop-Singles zu produzieren, das ist fantastisch für mich. Und sie sind aus Hamburg, sehr smart, sehr clever, alles ist sehr gut organisiert. Das ist ein tolles Label.

Cade sorgt letztendlich dafür, dass alles mit 'Membran' reibungslos funktioniert. Und ich brauche nur den Fokus auf die Musik legen, und neue erschaffen.

 

Fanny: Das letzte Konzert findet am 30. Dezember diesen Jahres statt. Hast Du schon Pläne für nächstes Jahr?

 

Ben: Noch nicht. Außer, dass ich Vater werde, das ist der einzige Plan! (lächelt)

 

Alle: Woohoo, herzlichen Glückwunsch!

 

Fanny: Noch eine letzte Frage. Du wohnst in einem Baumhaus in Melbourne. Für mich reflektieren Deine Texte diese sehr natürliche, meditative Umgebung. Wie fühlt es sich an, Songs/ Texte so nah an der Natur zu schreiben und sie dann auf großen Bühnen in einer sehr urbanen Umgebung aufzuführen?

 

Ben: Tatsächlich schreibe ich die meisten meiner Texte auf Tour, im Tourbus. Auf 'Thinking Clear' zum Beispiel sind 90% der Texte unterwegs geschrieben worden.

Aber die Musik dazu entstand erst, als wir wieder zurück in Melbourne, im Studio waren.

Wir versuchten uns an verschiedenen Grooves und Ideen. Zwischendurch hatten wir Tee, saßen dort, meditierten ein wenig mit den Bäumen. Und kamen dann zurück, hörten uns die Sachen nochmal an, fügten wieder etwas Neues hinzu ...

Mit "So Are You" zum Beispiel lief das anders. Dieser Text entstand zu Hause, nicht auf der Straße.

Mit den Texten von 'Road to Babylon' trat ein besonderer Prozess ein. Ich schrieb die erste Strophe auf Tour im Jahr 2014, aber die zweite Strophe stammt aus dem Jahr 2002. Es war in Cades Haus, in seinem Studio. Dort zeigte er mir diese Website 'rhymezone.com' und meinte das sei hilfreich zum Texte schreiben. Also schrieb ich diese Strophe und legte sie dort ab, für zehn Jahre! Im Jahr 2012 entdeckten wir sie wieder, aber weitere vier Jahre verstrichen, bevor sie aufgenommen wurde ...

 

Friedel: ... Du bist Dein eigener Ghostwriter! ..

 

Ben: ... Ja, genau! Ich liebe das. (lacht)