Reggae in Berlin

Dr.Ring Ding - Interview

 

Wie ist dein Eindruck vom heutigen Abend?

Das Bersenbrück Festival gefällt mir wesentlich besser als viele andere Festivals auf denen ich sonst spiele, weil die Stimmung hier so familiär ist. Hier herrscht eine friedliche und schöne Atmosphäre und ich sehe immer viele bekannte, aber natürlich auch viele neue Gesichter. Es ist deutlich zu merken, dass hier die Liebe zur Musik vorherrscht und es nicht nur ums Geld geht. Die Leute, die das Festival organisieren sind sehr professionell, aber trotzdem noch freundlich und nicht kühl, wie es sonst oft der Fall ist. Ich bin heute zum dritten Mal hier aufgetreten und das Publikum war einfach super. Es war brechend voll und es hat mir großen Spaß gemacht vor so vielen Leuten aufzutreten. Ich habe auch Spaß, wenn nur vierzig Leute da sind, aber es ist einfach ein irres Gefühl wenn mehrere tausend Leute „Call di Doctor“ schreien.

Du bist ja nun schon eine ganze Weile dabei. Gibt es auf den Shows immer noch Sachen, die dich wirklich überraschen oder ist alles Routine?

Wirkliche Routine gibt es für mich selten, wobei man als Künstler mit der Zeit natürlich immer routinierter wird.
Es gibt manchmal Soundsystem Shows, bei denen es dann nur noch um Schadensbegrenzung geht. Dort stimmt dann der Sound nicht und das Soundsystem ist nicht so gut. Ich ziehe in solchen Fällen einfach mein Programm durch und spiele die Lieder, die ich schon hundertmal gespielt habe und das Publikum freut sich und ist auch zufrieden, doch mich als Künstler kickt das dann eher weniger. Mit einer Live-Band ist das anders. Man musiziert noch richtig mit einander, doch bei Soundsystem Shows passiert es schon manchmal, dass es langweilig wird und man nur noch sein Programm runterspult und darauf wartet, dass es vorbei ist. Das passiert mir aber nicht oft. Ich versuche immer mich selber zu kicken und Kontakt zum Publikum zu haben, Sprüche zu klopfen und mit mir selber Spaß zu haben. Denn ich habe Spaß an der Musik und ich will, dass die anderen auch Spaß haben. Wenn nur 20 Leute zu meinem Konzert kommen, muss ich eben ein bisschen mehr arbeiten, damit das Publikum in Fahrt kommt. Ich hatte schon tollste Partys mit wirklich nur 20 Leuten, wobei Konzerte wie heute mit viertausend bin sechstausend Leuten noch mal extra kicken, aber das heißt nicht, dass ich das besser finde als den intimeren Spaß (lacht). Na ja du weißt was ich meine.

Hat die Arbeit mit anderen Künstlern für dich einen besonderen Reiz?

Ich habe schon mit sehr vielen Künstlern zusammen gearbeitet. Das müssen keine großen Namen sein, ich habe vor allem Spaß daran mit Menschen zu arbeiten, die musikalisch etwas zu bieten haben. Klar fände ich es toll mit Jazzsängern wie Tony Bennett ein Duett aufzunehmen, aber wenn bei uns in Münster ein zwanzigjähriger Pianist, der wirklich talentiert ist und ich mit ihm ein Stück machen kann, kickt mich das genau so. Es ist einfach super tolle Musik zu machen und vom Talent anderer profitieren zu können und das eigene Talent zu teilen. Wenn ich das erste Mal auf einem Festival mit U Roy oder Burnig Spear zusammen bin, freue ich mich natürlich die Leute zu treffen, die dabei waren als diese Musik entstanden ist und deren Musik ich seit ich 17 bin höre. Ich muss jetzt aber nicht noch unbedingt mit Sean Paul oder so was machen.

Auf das Bersenbrück Festival habe ich mich richtig gefreut und es war mir wichtig ein Programm zusammenzustellen, das flüssig ineinander greift. Das Konzert sollte richtig geil sein. Ich war schon zwei Wochen vorher aufgeregt. Aber dann hat ja alles gut hingehauen und es hat auch wirklich Spaß gemacht. Ich glaube ich werde auch morgen noch gute Laune deswegen haben (lacht).

Viele jamaikanische Künstler schwärmen immer davon, wie toll es sei in Deutschland oder Europa aufzutreten. Du bist nun auch schon viel rumgekommen. Gibt es da wirklich so einen großen Unterschied?

Ich glaube die meisten sagen das einfach nur, um dem Interviewer einen Gefallen zu tun. Ich finde es überall toll. Klar hat jeder Ort seine Besonderheiten, aber das ist auch innerhalb Deutschlands so. In Osnabrück zum Beispiel kommen Sprüche zwischen den Liedern überhaupt nicht gut an, während die Dortmunder oder die Berliner voll drauf abfahren. Mittlerweile merke ich bei mir, dass die Leute wissen, was sie zu erwarten haben. Man kann nicht sagen, dass die Leute in einem Land besser drauf sind als in einem anderen, aber es gibt ganz klar verschiedenen Mentalitäten. In Frankreich zum Beispiel ist das Publikum viel offener, was verschiedene Stile angeht. Auf Festivals treten dann ein Chanson Ensembles, eine Reggae-Band, ein arabischer Sänger und vielleicht noch ein Dudelsackspieler auf und die Leute gehen zu allem ab. Das hat man in Deutschland selten, obwohl es langsam besser wird. Als wir Mitte der 90er mit Dr. Ring Ding and The Senior Allstars anfingen, spielten wir Ska. Da war dann auch ein bisschen Reggae und DJ-Style dabei und damit waren die Leute einfach überfordert. Das fand ich komisch, weil für mich ist Musik kein Soundtrack zu einem bestimmten subkulturellen Lebensstil. Musik gefällt mir, weil sie mich anspricht. Das kann das Salsa sein, ein romantisches Klavierstück, Electro oder was auch immer. In anderen Ländern geht man damit einfach offener um, aber das mag vielleicht daran liegen, dass ich Deutschland andere Kulturen eine Zeit lang richtig ausgemerzt wurden. Ich denke Deutschland hat da einfach noch einiges nachzuholen.
Ich spiele auch viel in Kanada, den USA oder Spanien, dort spiel ich dann ein ausschließlich englischen Programm oder in Frankreich eben auf Französisch, dort singe ich dann auch französische Lieder. Ich bin halb Franzose und wuchs zweisprachig auf.

Übersetzt du dann dafür deine Texte?

Nein, ich habe Lieder auf Französisch, die ich dann spiele. Ich spiele dann auch Reggae-Versionen von französischen Liedern. Auf den aktuellen Album „Nice again“ ist ein dreisprachiges Stück drauf. „Lala“ ist auf deutsch, englisch und französisch. Auf meinem Album mit Kingston Kitchen ist ein Stück von Michel Legrand. Eine Coverversion im Rocksteady Arrangement von „Les Moulins de mon coeur“. Ich mache ich sonst auch noch französischen Sachen, von denen man wahrscheinlich eher wenig mitkriegt. Ich singe in einem französischen Chansons Ensemble, allerdings nicht unter dem Namen Dr. Ring Ding. Wir singen viele Lieder von Charles Aznavour, George Brassin, Serge Gainsbourg oder Edit Piaf. Wir treten damit in vielen Jazzclubs auf und bald wird auch ein Album erscheinen.

Und wie laufen deine Konzerte in Amerika?

Na ja, da freuen sich die Leute natürlich, wenn da der lustige deutsche Witzeerzähler kommt. Das erste Album „Dr. Ring Ding and The Senior Allstars – Dandimite“ ist 1996 schon in den USA erschienen. Viele Leute kennen das dort. Die Skaszene ist vielleicht nicht supergroß, aber sie ist sehr gut vernetzt. Wenn ich in New Orleans oder in Seattle spiele, kommen manchmal Leute zu mir, die sich freuen mich endlich mal live zu sehen, weil sie die CD schon über zehn Jahre haben. Die haben sich dann damals das Album zusammen mit einer CD von den Skatalites und den Toasters geholt. Für die bin ich einfach einer aus dieser Gruppe. Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, wenn ich in Chicago auf der Bühne stehe und die Leute die Texte mitsingen können, die ich mir damals als neunzehnjähriger ausgedacht habe. Ich bin gerne in den USA und ich mag die Mentalität der Menschen, auch wenn ich manchmal in meinen Liedern kritisch darüber das Land sing.

Was können wir in nächster Zeit an Neuheiten von dir erwarten?

Bald kommt mein neues Album raus, dass ich in den USA aufgenommen habe. Es wird „Roots Operator“ heißen. Die Platte ist ein Version-Album mit komplett handgemachter Musik, also ohne computerisierte Riddims. Ich fing schon vor drei Jahren mit den Aufnahmen an. Es wurde dann so nach und nach, da es immer wenig Geld gibt, aber immer viel Liebe und bis man die ganzen Musiker zusammen hat, dauert auch seine Zeit. Es sind auf jeden Fall tolle Leute drauf Vic Ruggiero von den Slackers spielt Orgel, Kevin Batchelor, der Trompeter von den Skatalites ist mir drauf. Erst Mal erscheint das Album in Amerika, aber ich bin sicher, es wird schon irgendwie seinen Weg nach Deutschland finden. Die Texte sind komplett auf Englisch und etwas persönlicher und nachdenklicher als sonst. Es ist auch ein Lied drauf, dass ich für meine Mutter geschrieben habe. Das ist für mich schon sehr ungewöhnlich, da ich ja bisher eher witzige Songs gemacht habe.

Danke für das Interview.

 

 Am 29.12.08 besucht "der Doktor" das Yaam...........so wake the town and tell the people!!!