Reggae in Berlin

Collie Buddz Interview 2015

 

RIB:

Hi Collie Buddz! Schön, dass du dir noch kurz Zeit für uns genommen hast... Wie hat's dir denn heute gefallen?

 

CB:

Es war großartig! Vor allem, weil ich letztes Mal in Berlin einen Club-Gig mit DJ gespielt habe. Ich weiß gar nicht mehr wo das war, aber es war nicht besonders gut... Ich hatte danach schon ein bisschen Schiss hier wieder aufzutreten, aber heute waren die Vibes richtig geil! Ich fand's toll und das war wahrscheinlich die bisher beste Show auf der Tour.

 

RIB:

Wie viele Shows habt ihr denn schon gespielt?

 

CB:
Heute war der siebte Gig. Bisher war es eine richtig gute Zeit! Das ist ja auch eine ganz neue Band...

 

RIB:
Darauf wollte ich ja auch noch kommen, da mir überhaupt nicht bewusst war, dass du eine eigene Band hast... Wie nimmst du den Unterschied wahr?

 

CB:

Die DJ-Shows sind ja was ganz anderes: du stehst da alleine mit dem DJ, der die Tracks einspielt, auf der Bühne oder an den Turntables... Das ist nicht so eine Herausforderung wie ein Live-Konzert mit Band und auch nicht so intim, sondern eher zum Spaß mit der Musik haben.

 

RIB:
Wie lange spielt ihr denn jetzt schon zusammen und wie habt ihr euch getroffen?

 

CB:

Ein knappes Jahr... Nachdem wir letztes Jahr schon auf ein paar Festivals aufgetreten sind, ist das jetzt unsere erste eigene Tour in Europa.

Die meisten von uns sind in New York ansässig. Eigentlich wollte ich schon viel früher eine Band, genau genommen seit 2007 als mein erstes Album raus kam, aber es war etwas schwierig, an sie ranzukommen. Andrew, der Gitarrist, hat 6 Jahre bei Sean Paul gespielt und vorher bei Lauryn Hill, Roots, unser Bassplayer war 11 Jahre mit Michael Montano unterwegs, Rico ist Freelancer und spielt einfach überall und Damian, der Drummer, spielte in der Reggae-Band NEW KINGSTON, mit der ich ursprünglich touren wollte... Unsere phantastische Sängerin Al ist nebenbei bemerkt die Frau vom Leadsänger der NEW KINGSTON-Band.

 

RIB:
Dann gehen wir jetzt mal etwas weiter zurück... Ich hab da was gelesen über deine spezielle Aufnahmetechnik in jungen Jahren. Du hast mit Kopfhörern eigene Tapes aufgenommen oder wie war das?

 

CB:

Oh yeah.. (lacht). Das war als ich etwa 10 oder 11 Jahre alt und wir hatten eine alte Aiwa-Stereoanlage zuhause. Die hatte eine Mikrofon-Buchse, aber wir hatten kein Mic.

Meine Freunde und ich wollten was auf dem „Mission Impossible“-Riddim aufnehmen. Ich hatte irgendwie schon damals diese Tontechniker-Mentalität und kam auf die Idee, über den Kopfhörer aufzunehmen... Witzig, dass du danach fragst, denn ich habe gerade vor kurzem eins dieser Tapes wieder gefunden. Unsere Stimmen waren sooo hoch und es klingt ganz furchtbar, aber wir hatten einen Riesenspaß dabei und wollten halt unbedingt Musik machen und Tracks aufnehmen. Ich habe das schon richtig ernst gemeint und letztendlich ist es die Basis für das, wo ich jetzt bin. So ging das alles los: in unserem Keller mit der Aiwa-Anlage und diesen miesen billigen Kopfhörern wie man sie im Flieger bekommt. Wir haben einfach ein Ohrteil abgebrochen, so, dass das Kabel nicht beschädigt wurde, und hinein gesungen...

 

RIB:
...und das war auf den Bermudas?

 

CB:

Ja genau! So Anfang/Mitte der 90er war das.

 

RIB:

Inwieweit haben dich die Bermudas denn musikalisch beeinflusst bzw. was für Musik läuft dort eigentlich?

 

CB:

Jamaican Reggae und Soundclashes war schon immer total populär dort ... Viele der älteren jamaikanische Artists sind deshalb oft zuerst auf die Bermudas gekommen, wenn sie Jamaika verlassen haben. Shaggy zum Beispiel war schon dort, bevor Hits wie „a Oh Carolina“ rauskamen und er auf irgendeiner anderen karibischen Insel aufgetreten ist. Reggae is a huge thing there! - und war auch damals schon meine große Leidenschaft. Ich hatte immer Tapes von Soundsystems wie Kilimanjaro, Stone Love, Renaissance und Black Cat bei mir, egal, wo ich hingegangen bin... Ich bin jede Woche in die Tapeshops gerannt, um mir die neuesten Soundclash-Tapes zu besorgen. Kilimanjaro mit Ricky Trooper waren meine Favourites!

 

RIB:

...und in deiner Family gab es auch musikalische Einflüsse, oder? Dein älterer Bruder muss eine ziemliche Vorbild-Rolle für dich haben...!?

 

CB:

Oh ja, allerdings! Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Er fing mit dem Singen an und ich habe immer zu ihm aufgeschaut -das mache ich auch heute noch- und ich wollte auch singen. Im besagten Keller im Haus meiner Mutter -mein Vater starb, als ich 4 war- haben wir die ganze Zeit Musik gehört: nach der Schule, am Wochenende, immer und den ganzen Tag Reggae! Mein Bruder hatte einen sehr großen Einfluss auf mich. Er hat mir auch bei den Lyrics für COME AROUND und MAMA CITA geholfen. Heutzutage ist er auch immer noch dabei. Ich habe ja jetzt eine Radio Station namens VIBE 103 auf den Bermudas und er ist dort Programmdirektor und legt täglich Musik auf.

 

RIB:

...und er war auch ausschlaggebend für deine Entscheidung, nach Kanada zu gehen und zu studieren...!?

 

CB:

Ja, ich habe dort Sound Engineering studiert, wollte produzieren und habe mich letztendlich selbst produziert... Ich wusste schon immer, dass ich nach der High School Musik machen will und das habe ich dann auch gemacht. Ich ging nach Florida an die Full Sail University, eine der größten Audio Engineering-Schulen in den USA und habe mich dort in einen 13monatigen Recording Arts-Kurs eingeschrieben, den ich mit 19 abgeschlossen habe. Danach ging ich zurück auf die Bermudas und habe mich zunächst mit Jobs auf Baustellen und sowas durchgeschlagen. Auf den Bermudas selbst kannst du halt musiktechnisch nichts machen. Es gibt dort keine Struktur oder Musikindustrie; dort leben ja gerade mal 70.000 Leute. Mein Bruder studierte damals in Kanada und ich habe gespart, um ihm zu folgen. 2003 habe ich dort angefangen, Beats zu produzieren und mich selbst aufzunehmen. Ich habe einen Wandschrank in eine Aufnahmekabine umgebaut, mir ein Mikrofon besorgt und den ganzen Tag aufgenommen und mich dem komplett hingegeben.

 

RIB:

Wann und wo bist du das erste Mal aufgetreten?

 

CB:

Die allererste Show war für eine Bermudas Radio Station. Der damals sehr junge Chris Brown trat dort auf und ich war sein Opener mit 3 oder 4 Songs. Und dann gab es noch einen frühen Gig, wo Ne-Yo mein Opener war. Das war 2006 oder 2007 und ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich denn bitte nach Ne-Yo performen soll...!? Das sind die 2 ersten Shows, an die ich mich lebhaft erinnere.

Als COME AROUND rauskam, hatte ich noch keine Live Gigs gespielt, nie ein Interview gegeben oder irgendetwas Ähnliches gemacht... Diese ersten Shows waren richtige Feuertaufen!!

Damals habe ich aber live noch richtig mies geklungen, Es ging zunächst darum, dass die Leute die Person hinter dem Song zu sehen bekommen sollten. Es hat sich einiges getan seitdem: inzwischen habe ich den Anspruch, auch ein guter Live-Artist zu sein, der Sound soll gut und ausgefeilt sein...

 

RIB:

Was machst du denn lieber: Studio-Aufnahmen oder Live-Shows?

 

CB:

Beides. Ich liebe den kreativen Prozess im Studio, stehe einfach total auf Studiotechnik und bin immer noch sehr neugierig, dazuzulernen. Aber die Live Bühne ist eine einzigartige Erfahrung: das Moment, wo das Publikum deine Songs mitsingt, ist unvergleichlich, ein unbeschreibliches Gefühl! Ich kann es teilweise immer noch nicht glauben, dass das alles wirklich geschieht.

 

RIB:

Welche Auftritte oder Erlebnisse während deiner Karriere waren echte Highlights für dich?

 

CB:

Eine meiner tollsten Erfahrungen war sicherlich Japan. Alles war so extrem anders und fremd und es hat mich total geflasht, dass meine Musik mich von den Bermudas bis nach Tokio gebracht hat. Nach unserer Ankunft kam ein Taifun auf und wir sind mitten in der Nacht (wir waren ja noch im US-Timing) durch Tokio gelaufen, das wie eine Geisterstadt wirkte. Die Shows waren auch der Hammer: ich war dort Opener für Wayne Wonder und Ding Dong .Cali Roots und Lollapalooza in den States sind mir ebenfalls als großartige Festivals in Erinnerung geblieben.

 

RIB:

Du hattest ja ziemlich schnell Verbindungen zu recht berühmten Artists aus Jamaika. Shaggy zum Beispiel...

 

CB:

Yeah Shaggy :) er hat damals einen Teil seines Albums in New York aufgenommen und darüber sind wir uns 2006 begegnet. Er hat mir bei meinem ersten Album sehr viel geholfen und wir sind immer noch in engem Kontakt. Ich war gerade kürzlich wieder in seinem Studio und bin immer noch ein großer Fan von ihm. Ich habe danach viele meine Lieblingskünstler getroffen: Beenieman, Bounty Killer, Buju Banton, Luciano, Anthony B., Sizzla etc.. Totaler Wahnsinn!

 

RIB:

Die meisten deiner Tracks kommen ja als Singles raus... Wie sieht es denn mit Plänen für ein neues Album aus?

 

CB:

Oh yeah! Ich weiß, davon ist ja schon eine Weile die Rede: ein Album kann ich gerade noch nicht versprechen, aber eine EP ist definitiv für dieses Jahr geplant. Weißt du, ich bin ja jetzt bei Sony bei Salaam Remi unter Vertrag und wir touren ja die ganze Zeit. Darüber sind wir auch echt happy! Aber es ist auch nicht so einfach, alles unter Dach und Fach zu bekommen. Aber es wird auf jedem Fall etwas rauskommen, denn ich war viel mit Super Dubs im Studio, mit dem ich zum Beispiel auch BLIND TO YOU, SINSEMILLA, TOMORROW'S ANOTHER DAY, und MARY JANE produziert habe.

 

RIB:

Schön! Da können wir uns ja auf frische Songs im klassischen Collie Buddz-Style freuen! LIGHT IT UP war ja schon ziemlich poppig. Wolltest du oder das Label das so?

 

COLLIE BUDDZ:

Ja ja, ich weiß, etwas anders als der Rest... Mein Bruder und ich haben es geschrieben und wir hatten echt Spaß dabei, einen Popsong zu machen. Wir haben es eingeschickt und abgewartet. Ich mag den Song auch wirklich, aber es ist eben kein typischer Collie Buddz-Song. Wenn du ihn magst, hör ihn dir an und wenn nicht, nicht! Letztendlich haben wir bei Sony unterschrieben, da das Label auf den Song abgefahren ist und wir rausfinden wollten, ob es läuft...

 

RIB:

Ich habe auch eher gefragt da ja gerade ziemlich viel Fokus auf diesem Track ist, wenn man etwa auf deine Website geht. Ich war ziemlich überrascht, als ich mit den Track dann angehört habe...

 

CB:

Ja, ich verstehe schon... Jemand hat kürzlich mal gesagt: Wenn der Song nicht von dir wäre, wäre es bestimmt ein Megahit! Damit meinte er, dass ein junger unbekannter Pop Artist über so einen Song schnell aufgebaut werden könnte. Kann sein, dass dieser Track auch besser zum US-Publikum passt, wo viele Leute über Reggae und Pop alles Mögliche hören... In Europa sind die Hörgewohnheiten doch etwas anders und spezifischer. Aber anyway... Ich mag den Song, finde ihn ziemlich catchy und stehe dazu.

 

RIB:

Vielleicht eine etwas eigenartige Frage: Hast Du dich jemals in diesem Business diskriminiert oder mit Vorurteilen konfrontiert gefühlt, weil du weiß bist?

 

CB:

Als COME AROUND rauskam, kannte mich niemand und der Song ging gleich total ab. Dann kam das Video raus und dazu kannst du dir ja mal die Comments anschauen... „Aaaw, see the white boy now...“ etc., aber das hat mich eigentlich nicht sehr tangiert und es war ja auch absehbar Für mich war und ist es wichtig, gute und authentische Musik rauszubringen und diese für sich selbst sprechen zu lassen. Außerdem verdirbt ein schlechter Kommentar ja noch längst nicht 1000 gute, all das spricht eine eigene Sprache!

 

RIB:

Welche Wünsche und Pläne hast du für deine Zukunft?

 

CB:

Ich bin ehrlich gesagt schon ganz schön erfüllt mit dem, was ich erreicht habe. Aber ich will definitiv ein großartiges Album rausbringen!

 

RIB:

Wir freuen uns darauf! Vielen Dank fürs Interview und weiterhin viel Erfolg und tolle Konzerte auf dieser Tour! Safe journeys! See you next time!

 


Interview 2015

Annette Buschermöhle