Reggae in Berlin

Summerjam 2007

SUMMERJAM 2007 - FESTIVALERINNERUNGEN




Eigentlich sollte es diese Story gar nicht geben, da ich trotz jahrelanger Bemühungen bei Contour wiederum keinen Erfolg bei der Erringung der heiß umkämpften Pressepässe hatte. Bei allem Verständnis dafür, dass schließlich nicht jeder Korrespondent Berücksichtigung finden kann, sind die Auswahlkriterien manchmal schwer nachvollziehbar, wenn man sieht wer sich manchmal so alles im Pressegraben aufhält. In den letzten Jahren habe ich eben sogar viele Fans im Pressegraben gesehen, die nicht einmal eine Kamera hatten, dort nur abtanzten oder rumsaßen und niemals die Absicht hegten einen Beitrag in irgend einem Medium zu bringen. Da kann man sich schon etwas ärgern, zumal ich in den vergangenen Jahren viele Storys und Fotogalerien in diversen Medien veröffentlicht habe, die Contour vielfach unterstützt haben und meine ernsthaften Absichten unter Beweis stellen. Aber lässt sich nicht ändern, vielleicht klappt es ein anderes Mal.
Letztendlich konnte ich mich aber auf Grund der vielen guten Fotos, die mir trotz allem gelungen sind, nicht zurückhalten diesen Bericht zu schreiben. Weiterhin gibt es auch in diesem Jahr, wie alle anderen Jahre zuvor auch, nur sehr wenige und noch dazu äußerst knappe Storys zum Festivalgeschehen.
Deshalb werde ich an dieser Stelle versuchen die Eindrücke aus meiner Sicht, und hoffentlich zur Freude vieler Festivalbesucher, etwas umfangreicher darzustellen. Ohne Pressepass ist es allerdings unmöglich einen kompletten Überblick bei Festivals dieser Größenordnung abzuliefern. Man ist gezwungen Prioritäten zu setzen, da ein Bühnenwechsel während der Shows ohne Verlust des optimalen Platzes kaum möglich ist. Andererseits muss ich aber gestehen, dass ich die nachfolgend getroffene Auswahl der Bühnenbesuche wohl nur sehr ungern verlassen oder abgekürzt hätte.

Um keinen der Leser zu langweilen, da es ja unterschiedliche Fangemeinden gibt, hier ein kurzer Überblick zum Verlauf der Story.

04.-05.07.2007 – Mittwoch + Donnerstag
Vor dem Festival, Anreise, Parkplatz, Camping, King C Red

06.07.2007 – Freitag
King C Red, Ronny Trettmann & Ill Inspecta + Lexi Lee., Alborosie, Uwe Banton, Ganjaman, Israel Vibration, Horace Andy, Bitty McLean

07.07.07 – Sonnabend
Sebastian Sturm, Fantan Mojah + ….., Perfect, Tony Rebel, Warrior King, Tanya Stephens, Turbulence, Sizzla
08.07.07 – Sonntag
Seyni & Yeliba, Aswad, Groundation, Maxi Priest + .…., Anthony B

09.07.07– Montag
Abreise



Genug der Vorrede und hinein ins Geschehen.


Mittwoch – 04.07.2007


Unser Tag der Anreise und bereits einige Tage davor standen unter keinem guten Stern. Die Wetterlage war nicht gerade vielversprechend. Die Fahrt begann im Regen und im Laufe der über 6-stündigen Anfahrt wurde es von einigen Regenpausen abgesehen nicht viel besser. Während der Fahrt war das ja nicht das Problem, aber immerhin stand uns noch der Transport der Sachen zum Zeltplatz bevor, der sich eben nicht gerade in unmittelbarer Parkplatznähe befindet. Außerdem werden mit jeder Stunde späterer Ankunft die Transportwege immer größer. Unsere Festivalstimmung war unter diesen Voraussetzungen also noch nicht gerade überschwänglich. Das Wetter verdarb uns sogar die Lust darauf unser umfangreiches eingepacktes Reggaearchiv durch´s Auto dröhnen zu lassen. Als wir schließlich die Autobahn verließen und der guten Beschilderung zum Summerjam-Parkplatz folgten, die dieses Mal schön auffällig in den Farben rot-gelb-grün gekennzeichnet war, legte doch tatsächlich der Regen eine Verschnaufpause ein. Das gab natürlich unserer Laune etwas Auftrieb, die aber kurzerhand vom grobklotzigen Einweisungspersonal auf dem Parkplatz wieder zunichte gemacht wurde. Wir standen kurz davor die Polizei zu holen, da die Einweiser mehr als uneinsichtig waren, vernünftige Abstände zwischen dem uns nachfolgenden PKW zuzulassen. Wir hatten gerade mal 40 cm Platz zum nach uns einparkenden PKW, was es kaum möglich machte ohne Blessuren die vollgepackten Autos zu entladen. Unser Nachbar sah das schließlich genauso und rückte trotz der überheblich meckernden Einweiser noch ein Stück zur Seite, um wenigstens die Türen ordentlich öffnen zu können..




Nun kam jedoch der schwierigere Teil des Tages, aber wir waren ja jetzt richtig in Fahrt. Der Parkplatz war leider wegen der längeren Regenfälle mächtig aufgeweicht und diverse Schlammpisten und Wasserlachen erschwerten den Transport der Sachen erheblich. Zum Glück hatten wir unsere Gummistiefel dabei und konnten uns am Anblick derer trösten die in höchst unpassendem Schuhwerk aus Stoff, Sandalen, modischen Ballerinas und anderen Fehleinschät-zungen durch den Schlamm stapften. Die Überwindung des Parkplatzes bis zum ersten befestigten Weg ist immer ein Kraftakt und war unter diesen Bedingungen mit unserem Transportwagen nahezu unmöglich. Auf unserem angestammten Zeltplatz angekommen erlebten wir die nächste unangenehme Überraschung. Zum ersten Mal seit vielen Jahren mussten wir ein neues Plätzchen suchen. Die Zeltdichte auf dem Platz wird jedes Jahr enger und das immer zeitiger. Die meisten Flächen in Nähe der beiden Brücken zur Festivalinsel und des Strandbades waren bereits besetzt.
Kaum stand unser Zelt gab´s auch schon die nächste Dusche von oben. Aber das war uns nun egal, denn das Schlimmste war schließlich überstanden. Aber während wir drinnen den Regen abwarteten gingen draußen bereits die ersten Diebe zu Werke und erleichterten uns um drei unser seit über 30 Jahren wohlgehüteten Aluminiumgussheringe, die es heutzutage leider nicht mehr gibt. Einfach unfassbar, einige Camper werden immer dreister. Bei der Abreise lassen sie alles im Müll liegen und dafür werden dann bei der Anreise die fehlenden Teile bei den Nachbarn wieder zusammengeklaut.
Letzte Aktion des Tages war die Befüllung unseres Wasserkanisters. Aber auch hier gab´s wieder eine Überraschung. Die seit langen Jahren nutzbare Wasserzapfstelle am Speisekiosk neben der Servicestation war doch tatsächlich plötzlich eingezäunt. Noch ehe ich vom Eingang der Umzäunung her den Weg zum Wasserhahn beenden konnte, wollte man mir schon den ersten Euro wegen der beabsichtigten Kanisterbefüllung abnehmen. Also irgendwie verlieren manche das Augenmaß. Selbstverständlich durften die dann ihr Wasser behalten. Zum Glück wurden gerade vom Veranstalter die sanitären Anlagen auf dem Platz der Servicestation an die Wasserversorgung angeschlossen, wo auch die Kanisterbefüllung kostenlos ermöglicht wurde. Donnerstag – 05.07.2007


Das Wetter hatte sich leider noch nicht zum Vorteil gewandelt. Es gab zwar ab und zu mal ein blaues Loch in der Wolkendecke, aber ohne Regenmantel konnte man sich nicht auf Erkundungstour begeben. Unsere jährlichen Wanderungen um das gesamte Zeltplatzgelände ließen wir daher ausfallen. Die Händler im Bereich der Verpflegungsstrecke zwischen Servicestation und Strandbad waren nicht zu beneiden. Die wie in jedem Jahr auf dem Boden ausgelegten Metallplatten, die die kritischen Schlammpunkte überbrücken sollten, waren nicht mehr ausreichend. Der gesamte Bereich war durch das Begängnis der bisher eingetroffenen Festivalgäste schon derart in Mitleidenschaft gezogen, dass man ohne Gummistiefel nicht mehr trockenen Fußes die Stände besuchen konnte.
Wichtigste Aktion des Tages war für uns die Anlegung der Festivalbändchen. Donnerstags zur rechten Zeit kann man diese zum Glück noch ohne längere Wartezeiten erledigen. Im Frühstückszelt daneben wurde inzwischen die Technik für eine Band aufgebaut, die dort zu später Stunde noch auftreten sollte. Als Einstimmung für´s Festival konnten wir uns das schließlich nicht entgehen lassen, und die Unterbringung im Frühstückszelt konnte ja auch nicht besser sein.
Als es schließlich soweit war und die Fu Fu Bang Band mit ihrem Sänger King C Red auftrat, waren wir angenehm überrascht. Wir erlebten einen sehr guten Auftritt, an dem es nichts auszusetzen gab. King C Red will nächstes Jahr auf der Festivalinsel auftreten, hoffen wir für ihn dass es klappt. Immerhin war das richtig guter Roots-Reggae den King C Red präsentierte, und das Klangbild der Band und der beiden Backgroundsängerinnen konnte kaum besser sein.




Freitag – 06.07.2007

Freitag sah das Wetter schon etwas besser aus und ließ uns auf trockene Bühnenshows hoffen. Ganz durchschaubar war es aber noch nicht. Andrew Murphy den ich am frühen Morgen auf dem Zeltplatz traf, meinte zwar er hätte alles für gutes Wetter getan und sogar entsprechende Voodooriten vollzogen, aber darauf vertrauen wollte ich natürlich nicht.
Wir ließen unsere Gummistiefel also lieber noch an. Die zuvor geschilderte verschlammte Verpflegungsstrecke war zwar inzwischen auch perfekt mit einer hohen Schicht Rindenmulch und Holzhäcksel abgedeckt, aber man konnte ja nicht wissen, was noch kommt. Unser Morgenspaziergang durchs Zeltplatzgelände nahm bereits am Frühstückszelt des Servicezentrums sein Ende, da dort bereits schon wieder King C Red voll in Aktion war. Danach blieb uns für größere Aktionen nicht mehr viel Zeit, da wir pünktlich mit dem beginnenden Einlass die Festivalinsel betreten wollten. Das Kontrollpersonal an den Brücken war noch freundlich und sehr locker drauf. Ja und mit den hinterfragten Drogen, Waffen oder Bomben konnte ich auch nicht weiterhelfen. Keine Probleme gab es dieses Mal mit alkoholfreien Getränken in Plasteflaschen. Bei Glasflaschen gab es allerdings kein Pardon, was natürlich nur zu begrüßen war. Weiterhin nicht erlaubt waren Videokameras, was aber bereits auch seit längerer Zeit bekannt ist und in jedem Festivalführer stand.
Auf der Insel angelangt blieb leider nicht viel Zeit zum Besuch der wieder umfangreich aufgebauten Verkaufsstände. Es wäre zu begrüßen, wenn künftig der Einlass etwas früher beginnen könnte, damit man vor der ersten Show noch genügend Zeit hat die Insel zu erkunden. Die Aufteilung der Künstler auf den Bühnen fand ich in diesem Jahr besonders gut gelungen. Die verschiedenen Fangemeinden waren besser voneinander getrennt, was überwiegend umfangreiche Bühnenwanderungen der meisten Massen vermied. Oder die Künstler waren der Reihenfolge so eingeplant, dass man an einem bestimmten Punkt zur Not aussteigen und nicht unbedingt zurückkommen musste, bzw. auch sowieso nicht mehr konnte.



Einstieg an diesem Tage war für uns die Show mit Ronny Trettmann & Ill Inspecta, da wir anschließend unbedingt bei Alborosie einen guten Platz haben wollten. Parallel zu Alborosie trat Uwe Banton auf der Green Stage auf, den wir auch gerne gesehen hätten. Das war unser einziger Auswahlkonflikt. Aber Alborosies ersten Summerjamauftritt durften wir auf keinen Fall verpassen. Die Begrenzung vor der Red Stage war sehr weit weg von der Bühnenkante aufgebaut. Da hätte gut und gerne noch eine Fernsehbahn dazwischen gepasst und der dann noch verbleibende Abstand wäre höchstwahrscheinlich immer noch weiter als sonst gewesen. Ronny Trettmann ist Reggae auf sächsisch und vielen im Radio durch sein Titel „Der Sommer ist für alle da“ schon einmal aufgefallen. Nun, ich persönlich kann das nicht so richtig ernst nehmen, obwohl Ronny Trettmann auch für seinen Stil bereits eine Fangemeinde aufgebaut hat. Als ich das zum ersten Mal hörte, fand ich das eher witzig und wurde von mir in die Komikerecke gestellt. Inzwischen ist es schon etwas mehr geworden und Ronny Trettmann will wohl tatsächlich ernsthaft beim Reggae bleiben. Ill Inspecta, der anschließend mit auf die Bühne kam, hat ja bereits mit einem super Tune von sich Reden gemacht. Für mich persönlich ist zumindest der Tune „Rudebwoy Anthems“ ein Knaller, der aber live nicht das an Aufmerksamkeit brachte, was er eigentlich verdient. Ich hoffe in dieser Richtung wird in Zukunft noch einiges nachwachsen, da die anderen Sachen nicht so sehr meinen Geschmack treffen. Weiterhin im Gepäck hatten die Beiden eine Sängerin mit dem Namen Lexi Lee, die mit Ihrem Auftritt die Show Ihrer beiden Vorsänger erheblich aufwertete. Eine schöne und kräftige Stimme, ein schön anzusehendes Outfit und natürlich gute Reggaemusik, die von der House of Riddim Band gespielt, natürlich immer bestens gelingt.



Einer der ersten Höhepunkte des Tages war für uns Alborosie, der inzwischen so viele gute Sachen am Start hat, dass ein eigenes Album längst überfällig ist. Alborosie, ein Italiener der auf Jamaica lebt, brachte eine rundum perfekte Vorstellung. Da reihte sich ein Meisterwerk an das andere. Wer zum Beispiel den von ihm neu verarbeiteten Black Uhuru Klassiker "Guess who´s coming to dinner" noch nicht gehört hat, hat einfach bisher etwas verpasst - einfach nur genial. Für mich als besonderer Black Uhuru und Michael Rose Fan ist das natürlich schon deswegen ein Ereignis. Aber wie gesagt, das ist nur ein Beispiel, denn sein Auftritt ist von vielen Hits dieser Art gespickt. Man kommt einfach nicht mehr an Alborosie vorbei. Neben seiner Musik bringt er mit seinen kräftigen Dreads auch noch was für´s Auge mit.
Nach Alborosie verließen wir die Red Stage in Richtung Green Stage und konnten zum Glück noch ein paar Tunes von Uwe Banton erleben. Uwe Banton dieses Mal mit offenen Dreads, die langsam biblische Ausmaße annehmen, überzeugte mit bestem Roots Reggae. Perfekt umgesetzt und begleitet wurde das Ganze von der Sharp Axe Band, die mit ihrer internationalen Zusammensetzung für mich eine der besten hiesigen Backing Bands ist. Uwe Bantons neues Album „Jah Roots“ sollte unbedingt in jeder Reggaesammlung vorhanden sein. Viele klug ausgewählte sehr bekannte Riddims wurden dabei von Uwe Banton mit eingeflochten, welche ganz einfach den Erfolg dieses Albums entscheidend mit unterstützten. Bedauerlich, dass wir nicht den gesamten Auftritt erleben konnten. Aber die Chance Uwe Banton kurzfristig wieder zu sehen ist größer als Alborosie live zu erleben.
Die Green Stage war zum Leidwesen vieler Fans, besonders der etwas kleineren, geradezu eine unglückliche Konstruktion. Die Höhe der Bühnenplattform war derart überhöht, dass man die Künstler weitestgehend nur bis zur Hälfte sehen konnte, wenn sie sich nicht gerade am vorderen Bühnenrand aufhielten. Die hinteren Musiker richtig zu sehen war nahezu ausgeschlossen. Schlechte Karten für die Inhaber der Pressepässe, die ganz vorn natürlich noch weniger ausrichten konnten. Aber selbst in den ersten Reihen des Publikums bekam man geradezu Genickstarre. Hoffen wir, das dies in den nächsten Jahren nicht wieder passiert. Bisher war die Green Stage immer die kleinere und gemütlichere Bühne, aber dieses Jahr kam man sich vor wie ein Zwerg vor einem riesigen Monument, dessen Oberkante selbst für den größten Besucher nicht einsehbar war. Aber genug der Meckerei und zurück zur Show.
Eine echte Bereicherung für das Festival war für uns und viele Andere, dass Ganjaman dieses Jahr auf der Green Stage durch´s Programm führte.
Seit Jahren haben wir neben Andrew Murphy keinen besseren Moderator erlebt. Dieser Part ist für Ganjaman einfach auf den Leib geschrieben. Außerdem ist er ein Improvisationstalent, der die Massen in jeder Situation super unterhalten und auch eigene Tunes zum besten geben kann. Wir hoffen sehr, dass man Ganjaman auch für die folgenden Festivals diese Bühne wieder überlässt.
Schließlich war es dann soweit und der zweite Höhepunkt des Tages wurde mit Israel Vibration angekündigt. Als Backing Band waren wie seit langem wieder die Roots Radics mit am Start.



Flabba Holt dieses Mal mit gewöhnungsbedürftigen Outfit, der seine gewohnte Mütze gegen eine Art Turban getauscht hatte, war kaum zu erkennen. Israel Vibration haben wir schon oft erleben dürfen, können aber einfach nicht genug bekommen. Es ist immer wieder unfassbar diese unverwechselbaren Klänge zu hören. Da gibt es einfach keinen Raum mehr irgend einen Ton zu ergänzen. Diese Musik umschließt einen, durchdringt jede Zelle und alles ringsherum gerät in Vergessenheit. Wie gewohnt wechselten sich Wiss und Scelly nach jeweils zwei Tunes am Frontmikrofon ab und brachten einen Hit nach dem anderen. Aber es war leider unmöglich alle guten Sachen in der Kürze einer Show zu bringen. Einige Sachen von ihrem brandneuen Album waren auch dabei. Zumindest für mich besteht da natürlich wieder Kaufzwang.
Wiss hatte sich dieses Mal ein paar neue ungewohnte hochstimmige Rufe ausgedacht, die das Publikum zum mitmachen animieren sollten, was auch gelang. Diese Töne zu beschreiben versuche ich erst gar nicht, wer dort war kann sich selbst eine Umschreibung ausdenken, und wer nicht muss sich eben das nächste Live-Konzert ansehen. Für mich hätte Israel Vibration noch den ganzen Abend spielen können, aber leider kommt immer irgendwann das unwiderrufliche Ende. Aber es stand ja noch ein besonderer Veteran der Reggaeszene auf dem Programm. Mit Horace Andy kam ein weiterer großer jamaikanischer Künstler auf die Bühne, der auf eine lange Karriere zurückblicken kann. Ich für meinen Teil gehöre jedoch der Fangemeinde an, die sich nicht so sehr mit der typischen Stimme von Horace Andy auf Dauer anfreunden kann. Aber ungeachtet dessen, ist die Musik natürlich große Klasse und seinen Gesang muß man eben mögen oder nicht. Zum Glück ist ja alles Geschmackssache und das sieht nun mal jeder anders. Letzter Act dieses Abends war dann Bitty McLean auf der Green Stage, der aber leider ohne die früher angekündigten Riddim Twins Sly und Robbie kam. Mit Bitty McLeans Auftritt war für mich jedoch der Höhepunkt des Abends auf der Green Stage überschritten, obwohl dies anders angekündigt wurde. Die Musik war gut und ging zum Anhören, ging für mich aber mehr in Richtung Unterhaltungsmusik die ich auch aus der Ferne hören kann. Also machte ich mich auf um die Verkaufsstände in Bühnennähe zu erkunden. Gut, das ich mich so entschieden hatte, denn dabei hatte ich das Glück noch auf Ronald Butler zu treffen. Das ich ihn im Finstern entdeckt hatte, war für ihn nahezu unglaublich. Die Hoffnung nun die anderen Bandmitglieder der Roots Radics auch noch zu treffen, erfüllte sich aber leider nicht, da diese bereits in Richtung Hotel abgefahren waren. Nur Ronald war dageblieben um mit einer Bekannten das Festivalgelände noch etwas zu erkunden.


Im Anschluss begab ich mich noch einmal in Richtung Red Stage um Gentleman etwas aus der Ferne anzuhören. Dort war aber alles hoffnungslos von den Menschenmassen verstopft bis in den Bereich der ersten Verkaufsstände des Basars hinein. Gerade mal bis in den Bereich des U-Club Tents konnte man gelangen und dann war Schluss. Nach meiner Einschätzung dürften die Besucherzahlen eine bedenkliche Größenordnung erreicht haben. Die Festivalkarten waren zwar ausverkauft und man hatte bereits auf der Website des Summerjam darauf hingewiesen, dass man nicht mehr anreisen sollte, aber ich denke man müsste den Schlussstrich vielleicht etwas eher ziehen. Also nichts wie raus aus dem beklemmenden Gedränge und wieder zurück in den Bereich der Green Stage wo es doch bedeutend angenehmer war.

Sonnabend – 07.07.2007

Nach einer etwas unruhigen Nacht, in der manch Zeltnachbar seine Party unbedingt bis in die Morgenstunden ausdehnen musste, waren wir doch etwas übermüdet. Das konnte mich aber nicht davon abhalten wenigstens einen kurzen Spaziergang über einen Teil des Zeltplatzes bis zum Strandbad zu unternehmen.



Der offizielle Eingang des Strandbadbereiches war dieses Jahr verschlossen. Man hatte dafür im unteren Bereich des Geländes einen anderen kontrollierten Eingang angelegt. Im Strandbad wurde dieses Jahr wenigstens etwas besser kontrolliert und nicht jeder Trickser durchgelassen. Schließlich sollte dieser Bereich für Familien mit Kindern, Senioren usw. vorbehalten sein. Allerdings bleibt das meistens eine Wunschvorstellung und viele der dortigen Camper passen kaum in dieses Schema. Ich hatte das Geschehen schon die Tage zuvor verfolgt und am Einlass die fantasiereichsten Vorträge der Einlassbegehrenden mit angehört. Aber immerhin schaffte man es dieses Jahr eher einen Schluss-strich zu ziehen und wenigstens den Strandbereich von Zelten frei zu halten.
Pünktlich zur Öffnung des Festivalgeländes ging es dann natürlich wieder zurück auf die Insel. Sonnabend war der definitive Höhepunkt des Festivals. Unsere Wahl fiel für diesen Tag natürlich auf die Red Stage, obwohl die Green Stage auch ein interessantes Programm anbot. Allerdings wollten wir auf Sebastian Sturm und auf die nachfolgende Ansammlung jamaikanischer Reggaegrößen absolut nicht verzichten.
Sebastian Sturm, als Newcomer des Jahres, eröffnete das Programm und dürfte uneingeschränkt die Massive überzeugt haben. Eine perfekte Vorstellung für Auge und Ohren. Und das ist erst der Anfang, wir dürfen gespannt sein wie sich Deutschlands neue Reggaehoffnung weiterentwickelt. Man konnte sehen, dass Sebastians Musik aus tiefstem Herzen kommt. Vom Aussehen her wurde man manchmal gar an Bob Marley erinnert. Ein rundum gelungener Auftritt der nach mehr verlangt. Im Anschluss der Show konnte man sein neues Album „This Change Is Nice“ sogar von ihm selbst erwerben. Roots-Reggae Fans können beim Kauf dieses Albums keinen Fehler machen.



Nächster Act des Tages war Perfect, auf den wir uns schon lange gefreut hatten. Das erste Mal war er bereits beim Summerjam im Jahr 2005 als Vorsänger von Anthony B in Deutschland. Damals war dieser Auftritt noch reichlich kurz, aber dieses Mal hatte er mehr Spielraum und lieferte ein tolles Programm ab. Pflichtteil seiner Show war natürlich sein Megahit „Hand Cart Bwoy“, der die Massen zum Kochen brachte. Während der Show gab´s dann ein paar Probleme mit seinem Turban und die Ansätze seiner Dreads kamen zum Vorschein. Aber Perfect machte der Massive nicht die Freude seine Dreads fliegen zu lassen. Er deckte kurzerhand seinen Haaransatz mit einem Handtuch ab und wickelte später hinter der Bühne seinen Turban neu. Aber auch das half nichts, denn kurze Zeit später begann sich das Tuch schon wieder zu lockern. Kurz vor dem völligen Entgleiten seines Tuches schaffte er es zum Ende seines letzten Tunes gerade noch hinter die Bühne. Eigentlich schade – aber was will man machen, für manche Rastas sind die Dreads eben heilig und dürfen schon gar nicht in Babylon gezeigt werden.
Mit Fantan Mojah ging das Programm in die nächste Runde. Wer ihn noch nicht auf der Bühne erlebt hat, dürfte mehr als überrascht gewesen sein, was Fantan Mojah für einen energiereichen Auftritt ablieferte. Zu Beginn seiner Show kam er natürlich wieder mit seinem Rucksack auf die Bühne der an eine Kosmonauten- oder Taucherausrüstung erinnert. Bisher hat es sich für mich leider noch nicht erschlossen, welche Bedeutung dieser Teil der Show hat. Im Verlauf seines Auftritts war ihm in seinem Bewegungsdrang selbst der höchste Boxenturm noch zu klein und er stieg in die Bühnenkonstruktion hinauf bis die beginnende Rundung ein weiterklettern nicht mehr möglich machte. Ja und da diese Aktivitäten natürlich Hitze bringen, folgte dann ein halber Striptease und Fantan Mojah machte mit freiem Oberkörper weiter. Es machte ihm sichtlich Spaß sich so zu präsentieren und ließ einige Körperwellen über seinen fülligen Bauch laufen.
Zwangsläufig musste ich an den unvergessenen Jacob Miller denken, dessen Auftritte auch oft unter Präsentation seines fülligen nackten Oberkörpers abliefen.
Weiterhin im Gepäck hatte Fantan Mojah einen Sänger, der unter Anderem im Tune „Nuh Build Great Man“ Jah Cure gesanglich fast gleichwertig ersetzte. Den Namen des Sängers hatte ich leider nicht mitbekommen und später einfach vergessen danach zu fragen.
Inzwischen beobachtete schon einmal Tony Rebel von hinten das Geschehen, welcher nach einer Umbaupause mit Warrior King zusammen als nächster an die Reihe kam.
Wo Warrior King ist, ist natürlich auch sein Manager Garfield. Es ist inzwischen ein gewohntes Bühnenbild, dass sich Garfield am Rande der Bühne aufhält und jeden Tune für sich mitsingt, oder gar während der Show auf der Bühne immer irgend etwas zu klären hat. Warrior King sah sich deshalb veranlasst der Massive zu erklären, das dies sein Manager sei. Warriors Musik war natürlich wie immer ein Genuß, aber seinen größten Superhit den viele nur noch „Shuba Shuba“ nennen, konnte er bisher leider noch nicht toppen. Im Großen und Ganzen erschien mir Warrior etwas verschlossener und ernster als sonst. Seine überschwängliche Freude, die ich noch von seinem letzten Auftritt in Berlin in Erinnerung hatte, vermisste ich etwas.

Tony Rebel anfangs im edlen Outfit, mit Hut, Sonnenbrille und Jackett, veränderte sein Aussehen mehrfach während der Show und bot so immer neue Eindrücke. Zu seiner Musik muss man ja nicht mehr viel sagen. Inzwischen dürfte es auch dem Letzten geläufig sein, dass man Tony Rebel einfach nicht mehr aus der Szene wegdenken kann. Einziger Wermutstropfen für mich war, das ich wieder vergeblich auf seinen Superhit „Lalibela“ gewartet hatte. Dafür präsentierte er wieder mehrfach seinen Hit „Jah Is Standing By My Side“ in den verschiedensten Sprachen und bediente so das internationale Publikum. Mal sehen, ob er irgendwann noch weitere Sprachen hinzufügt.
(Zu Tony Rebel+Warrior King siehe auch gesonderte Story vom 11.10.2006 bei www.reggae-ecki.de unter dem Button „Storys“)

Zum Abschluss der Show kam auch noch einmal Warrior auf die Bühne und präsentierte gemeinsam mit Tony Rebel und den übrigen Beteiligten den Tune „Forever Loving Jah“ von Bob Marleys „Uprising“ Album. Wer die Show schon einmal gemeinsam mit Queen Ifrica erlebt hat, hat deren Part dabei sicher sehr vermisst. Warum Queen Ifrica, die ursprünglich angekündigt war, nicht mitkommen konnte, haben wir nicht erfahren.
Als nächster Höhepunkt – das ganze Samstagsprogramm bestand nur aus Höhepunkten – wurde Tanya Stephens angekündigt. Tanya im März diesen Jahres noch mit Lockenmähne hatte sich dieses Mal für glatte Haare entschieden. Ich könnte gar nicht sagen, was nun besser aussieht. Tanya Stephens hat mit ihren beiden Alben „Gangsta Blues“ und „Rebelution“ bereits so viel Aufsehen erregt, dass man es kaum erwarten kann, wann das nächste Album herauskommt. Ich persönlich bin der Meinung, dass mit dem Album „Rebelution“ der Vorgänger weit übertroffen worden ist, auch wenn dort der Superhit „It´s A Pity“ auf dem Doctor´s Darling Riddim enthalten ist, den ja jedermann von der Gruppe Seeed kennen dürfte. Auch während dieser Show war dieser Tune der ultimative Höhepunkt für die Massive. (Zu Tanya Stephens siehe auch gesonderte Story und Fotogalerie vom 01.03.2007 bei www.reggaeinberlin.de).


Tanyas Show war noch nicht richtig ausgeklungen, da kamen bereits die ersten unangenehmen Schiebereien in der Menge auf. In Erwartung der nachfolgenden Spitzenacts, die mehr in Richtung Dancehall tendieren, wurde das gemäßigtere Publikum massiv abgedrängt. Zumindest wer keine starken Nerven und Durchhaltevermögen besaß wurde radikal von den vorderen Reihen nach hinten delegiert. Besonders aggressive Methoden waren da bei den zumeist jüngeren Mädchen zu beobachten, denen es offenbar noch Spaß bereitete, sich in die Menge zu werfen. Man konnte regelrechte Verdrängungsstrategien beobachten in dem sich ein Mädchen quer oder rücklings zur Bühne postierte und von den anderen als Speerspitze oder Schiebeschild durch die Menge geschoben wurde, um so als eingeschworene Klicke in die erste Reihe zu gelangen. Leider hatte der Sicherheitsdienst für derartige Praktiken nicht so sehr ein Auge übrig und konzentrierte sich lieber auf unerlaubte Videoaktionen. Ohne Chef Bernd, der sich leider an anderen Schauplätzen aufhielt, fehlte dem Sicherheitsdienst in großen Teilen der richtige Biss. Auch die „Presse“ im Fotograben wurde oft nicht nach den üblichen drei Tunes wieder herausgeschickt und nahm den vorderen Reihen der Fans auf weite Strecken die Sicht. Man musste sich manchmal regelrecht selber helfen und besonders dreiste Filmer oder Fotografen von der Absperrung „helfen“, welche sich vor das Gesicht postiert hatten. Das Schlimme daran war wie eingangs schon bemerkt, dass es sich dabei teilweise mit Sicherheit gar nicht um ernsthafte Korrespondenten handelte.

Die Umbaupausen, in denen man sonst etwas verschnaufen und sich vor der Bühne hinsetzen konnte, war im Falle vor Turbulence und Sizzla natürlich Geschichte. Beine anziehen und trotzdem nicht umfallen wäre durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen.
Selbst Andrew Murphy, der wie immer durch´s Programm der Hauptbühne führte, wurde es Angst und ermahnte die Massen, damit sich nicht noch jemand verletze. Auch nach seiner Meinung ist das Summerjam inzwischen zu groß geworden und trauerte den Zeiten nach, in denen man noch mit dem Picknickkorb auf der Wiese sitzen konnte und notfalls das Geschehen aus der Ferne beobachten konnte. Aber selbst die sogenannte Ferne war bereits hoffnungslos überfüllt.
Da wird auch Andrews sicher nicht ernstgemeinter Rat weiterhelfen, niemanden mehr vom Summerjam zu erzählen oder mitzubringen. Da hilft eigentlich nur die maximale Kartenverkaufszahl zu überdenken.
Turbulence, der eigentlich auch viele klasse Roots-Reggae Tunes im Repertoire hat, verzichtete allerdings darauf und wollte offenbar die Massive schon so richtig vorglühen und auf Sizzla einstimmen.
Turbulence und Sizzla in einer Show zu erleben ist natürlich eine gute Kombination. All jenen, die der eigentlich unbegründeten Verwechslungsgefahr der Beiden aufsitzen, war so die Möglichkeit gegeben den direkten Vergleich zu ziehen. Sizzla brachte dann natürlich den bereits siedenden Kessel zum überlaufen. Schade um die klasse Show von Sizzla, die man wegen dem zum Teil besonders krass ausgeflippten Publikum, kaum richtig genießen konnte. Es grenzt an ein Wunder, dass ich ohne Schaden überhaupt noch ab und zu die Kamera zum Einsatz bringen, und wenigsten ein paar mehr oder weniger gelungene Schnappschüsse machen konnte. Etwas wehmütig aber auch zufrieden mussten wir an den kürzlich erlebten Auftritt von Sizzla im Berliner Kesselhaus zurückdenken. Trotz allem ließen wir uns kein Stück der Show von den aggressiven „Hintermädchen“ verdrängen. Mit auf der Bühne natürlich wieder Sizzlas Manager Fatis Burrel, der wie durch ein unsichtbares Gummiband mit Sizzla verbunden war. Fatis und Sizzla erscheinen und verschwinden immer nahezu in der selben Sekunde. Fatis lässt sein bestes Pferd im Stall keinen Augenblick aus den Augen.
(Zu Sizzla siehe auch gesonderte Story und Fotogalerie vom 13.06.2007 bei www.reggaeinberlin.de).

Fatis

Nach dem Überleben der grandiosen Sizzla Show zogen wir aber die Notbremse und verließen den Hexenkessel, infolge abgeschnittener Rückzugsmöglichkeit, nach vorne über die Absperrung. Mit dem Wissen, dass es beim nachfolgenden Beenie Man und Sean Paul Gig nicht mehr angenehmer werden würde, war das die einzig richtige Entscheidung. Die Eindrücke von früher erlebten Shows der Beiden etwas aufzufrischen, wäre zwar auch nicht schlecht gewesen, aber die bisherigen Abschürfungen und blauen Flecken an Armen und Beinen waren eigentlich ausreichend. Der Masse entkommen konnten wir erleichtert endlich unsere Gliedmaßen wieder strecken und zogen uns in Richtung des Bühnenausgangs zurück, um eventuell die eine oder andere Autogrammchance wahrnehmen zu können. Die meisten der an diesem Tage aufgestellten Künstler befanden sich noch im Gelände und verfolgten gegenseitig ihre Shows. Daher gab es ab und zu die Gelegenheit den einen oder anderen Künstler zu treffen. Leider gab es auch dort immer wieder unbeherrschte Fans, die das Geschehen negativ beeinflussten. So war zum Beispiel Perfects Willen schnell gebrochen, sich den Fans für Autogramme und Fotos zu stellen, da er sich schneller als ihm lieb war an den Zaun gedrückt wiederfand. Mehr als verständlich, das er sich dann hinter die Absperrung zurückzog. Als Beenie Man von der Bühne kam war natürlich wieder der letzte vernünftig wartende Fan abgedrängt und konnte das Geschehen nur noch chancenlos aus der x-ten Reihe betrachten. Es ist immer das Gleiche, wer auf die Vernunft der Anderen hofft ist verloren. Besser man versucht es erst gar nicht. Das Summerjam ist nicht der richtige Platz dafür.
So zogen wir noch etwas ziellos über´s Gelände, hörten die Roots von der Green Stage etwas aus der Ferne und ließen die Eindrücke des Tages nachwirken. In der nachfolgenden Zeltplatznacht wurde unsere Menschenliebe wieder arg auf die Probe gestellt. Besonders unverantwortlich hatte da eine Gruppe von Campern einen Rollstuhlfahrer etwa 30 m weg vom nächsten Weg mit seinem Zelt verfrachtet, obwohl dies ein sicherer Kandidat für´s Strandbadgelände gewesen wäre. Schon mehrere Tage zuvor versuchte diese Gruppe ihren Zeltplatz von weiteren Zelten freizuhalten um die Zufahrt mit dem Rollstuhl zu gewährleisten. Die Zusage der Gruppe herausgezogene Heringe wieder einzusetzen, soweit dies für die Zufahrt nötig war, wurde schnell vergessen und penetrant den anderen Campern ein schlechtes Gewissen eingeredet. Die anderen sollten doch wo anders hingehen, sie wären schließlich als erste da gewesen. Wenn ich die Wahl hätte würde ich mich in so einem Fall allerdings rollstuhlfahrerfreundlich an den Weg stellen und nicht einen abgelegenen Platz aufsuchen. Letztendlich fuhren die doch einfach über unser Vorzelt, da man sich nicht die Mühe machen wollte die Befestigungen abzulösen. Eine Entschuldigung war natürlich nicht zu erwarten – ganz im Gegenteil, man regte sich noch furchtbar auf als ich Schadenersatz verlangte. Nach längeren unschönen Diskussionen gab es wohl dann doch noch einen einsichtigen Mitcamper in dieser Gruppe, der das Vorzelt bezahlte und übernahm, welches ich noch vor der Bezahlung abbauen musste. Ohne Vorzelt wurde die Geschichte jedoch immer noch nicht besser. Unsere bereits sehr eng am Zelt stehenden Spannheringe wurden als Schikanen bezeichnet und mehrfach herausgezogen, verbogen und gar weggeworfen. Da kam richtig Liebe zu den Menschen auf. Auf die Idee den Rollstuhl zusammenzuklappen und zum Weg zu tragen und anschließend den Bedürftigen hinzutragen, kam man offenbar nicht, obwohl dies unter diesen Umständen das Einfachste gewesen wäre.

Sonntag – 08.07.2007

Der letzte Tag des Festivals begann mit etwas Verzögerung beim Einlass an der Verkehrsbrücke. Die erste Gruppe begann bereits auf der Red Stage zu spielen und die Gäste wurden immer noch nicht eingelassen. Die ersten Pfeifkonzerte begannen und einige waren gerade in Begriff eine Sitzblockade auf der Straße zu errichten, als endlich der Einlass begann. Für uns nicht weiter schlimm, da wir sowieso erst bei Aswad an der Red Stage ins Geschehen einsteigen wollten. Für den ersten Künstler war es aber sicher nicht gerade schön ohne Publikum zu beginnen. Aber vielleicht funktionierte ja der Einlass an der anderen Brücke reibungslos.

Wir nutzen die ersten Stunden für ein paar Streifzüge übers Gelände und besuchten Ronnie Lion von der Gruppe Amharic, die leider wieder nicht beim Bühnenprogramm dabei war.
Es gibt da wohl immer noch einige Hindernisse mit der Einreise des Sängers der Gruppe. Vielleicht wird es ja nächstes Jahr. Ronnie hat zumindest die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Etwas später trafen wir noch auf Uwe Banton, den wir natürlich wegen seinem neuen Album „Jah Roots“ noch unseren Respekt zollen mussten.
Auf der Red Stage traten inzwischen Seyni & Yeliba auf. An dieser Stelle klinkten wir uns ein, da uns dessen Mischung von afrikanischer Folklore mit Reggae sehr gut gefiel. Auch von dem schon reichlich vertretenen Publikum wurde die Gruppe bereits überschwänglich gefeiert. Für uns war diese Band eine Premiere, die wir nicht bereuten. Jederzeit würden wir uns diesen Act erneut ansehen, ist wirklich zu empfehlen.

Danach wurde mit Aswad der Start für die Höhepunkte des letzten Tages auf der Red Stage eingeläutet. Aswad blickt inzwischen auf eine über 30-jährige Bandgeschichte zurück und dürfte bei alt und jung wohlbekannt sein. Zumindest der Hit „Don´t Turn Around“ ist unvergessen und ist fester Bestandteil der Musikgeschichte. Aswads Sänger setzte sich zwischendurch auch mal ans Schlagzeug und sorgte mit seinen Einlagen für eine gute Abwechslung in der Bühnenshow. Mit dem Auftritt seines Sohnes ging es dann auch mal zwischendurch ein wenig in Richtung Dancehall. Mit dem Auftritt von Aswad dürfte für jeden Geschmack etwas geboten worden sein.

Beim nächsten Act kamen die Fans der schweren Roots-Klänge voll auf ihre Kosten. Vor einigen Jahren, als ich die Band noch nicht so sehr kannte, war ich mit meinem Urteil etwas voreilig und spaltete die Nation der Reggaefans in Kritiker und Jubler. Damals war ich von Stimme und Aussehen des Harrison Stafford nicht so sehr begeistert und konnte auch die jazzigen Bläsereinlagen nicht so sehr verkraften. Inzwischen hat sich mein Urteil ein ganzes Stück gewandelt, da ich mir auf Anraten diverser Fans viele Sachen der Band noch einmal als Studioaufnahmen angehört habe. Beim Summerjam war das nun inzwischen der dritte Live-Auftritt für mich. Von einigen Stücken bin ich inzwischen regelrecht begeistert. An Stücken wie „Pictures On The Wall“, „Freedom Taking Over“, „Undivided“ und anderen kommt man eben einfach nicht vorbei. Die langen jazzigen Bläsereinlagen waren dieses Mal auch nicht so dominant und machten das Konzert insgesamt für mich hörenswerter. An dieser Stelle muss ich auch mal die diesjährige Bühnenakustik loben. Die Lautstärke war nicht überzogen aber ausreichend, geradezu optimal, und den Gehörschutz konnte man getrost in der Tasche lassen. Dafür waren allerdings einige Beleuchtungsanlagen aufgebaut, die das Publikum manchmal derart blendeten, so das man auf der Bühne gar nichts mehr erkennen konnte.
Harrison Stafford ging mit gewohnter Verbissenheit ans Werk und schien das Letzte vom Letzten geben zu wollen. Geradezu unersetzlich war die Tänzerin und Backgroundsängerin Tanya Morgan mit ihrer Partnerin, die sich dieses Mal selbst übertrafen. Tanya im letzten Jahr beim JRF in Kandel noch mit kurzen glatten Haaren, überraschte mit langer Lockenfrisur. Unglaublich diese Bewegungen der Beiden, die eine atemberaubende Show für sich ablieferten . Also wer sich mit Harrison nicht so sehr anfreunden kann, schaut euch die Mädels an und genießt einfach die Musik. Grandioser Abschluss der Show, wie schon im letzten Jahr , das Stück „Freedom Taking Over“, das inzwischen eine richtige Gänsehaut bei mir verursacht. Andrew Murphy brachte dann die Sache auf den Punkt und meinte nur – es ist ganz einfach ein Kunstwerk.





Als vorletzter Act des Tages kam mit Maxi Priest ein Künstler auf die Bühne, der mit seinem Stil eine völlig andere Musik als Groundation verkörpert. Von Maxie Priest kennt man Stücke die eine Mischung aus Soul, Pop und Reggae darstellen. Ebenso verlief auch seine Show. Der Reggaefan kam also nicht immer auf seine Kosten und wird nicht ganz zufrieden gewesen sein. Auch Maxie Priest hatte im Programm einen weiteren Sänger, der mit kräftiger Stimme etwas Abwechslung bot. Maxie Priest war noch nicht ganz fertig, da gab es schon wieder die ersten Wanderungen im Publikum. Die Massive tauschte zu nahezu 50% die Plätze. All die, die da gingen, unterlagen mit Sicherheit auch einer Fehleinschätzung zum krönenden Abschluss des Abends. Schließlich ist Anthony B mit das Beste, was der Reggae gegenwärtig zu bieten hat. Seine Live-Auftritte fressen sich ins Gedächtnis ein und gehen dort einfach nicht wieder hinaus. Der Ablauf seiner Shows hat nie einen Aussetzer. Anthony B wählt immer nur ein Teil seiner besten Hits aus, die von ein paar kurzen Dancehall-Einlagen abgesehen, weitestgehend den Roots-Reggaefan bedienen. Wer da meint Anthony B zu kennen, wenn er mal in ein Album hineingehört hat, ist auf dem falschen Dampfer. Die Fülle des Albumausstoßes von Anthony B bringt es natürlich mit sich, dass dort zum Teil auch weniger gute Sachen drauf sind. Anthony B, der die Masse zum kochen brachte, kann dies auf andere Weise als Sizzla. Das Publikum ist ein Anderes – friedlicher und entspannter, was es sogar möglich macht, dass sogar die kleinsten Fans unbeschadet in der ersten Reihe stehen oder sitzen können. Einen krönenderen Abschluss des Festivals hätte ich mir kaum vorstellen können. Anthony B, der unübertroffene Performer, ließ sich von nichts und Niemanden aus seiner Show bringen. Andrew Murphys gewohnter Abspann musste warten. Anthony B-s Bühnenfeuerwerk wurde bereits vom Abschlussfeuerwerk begleitet, was ihn aber auch nicht aus dem Konzept bringen konnte. Ein unglaublicher Abschluss. Die Massive war hin- und hergerissen von Anthony B auf der Bühne und dem Feuerwerk im Rücken. Die wenigsten Fans dürften das natürlich ebenfalls wieder bombastische Feuerwerk vollständig gesehen haben. Ich für meinen Teil musste jedenfalls jede Sekunde von Anthonys Show in mich aufsaugen und ließ das Feuerwerk Feuerwerk sein. Andrews Abgesang und seine Dankesreden an alle Beteiligten mussten zum ersten Mal bis nach dem Feuerwerk warten.




(Zu Anthony B siehe auch gesonderte Story vom 24.08.2006 bei www.reggae-ecki.de unter dem Button „Storys“)

Nach der Show trafen wir uns dann noch einmal mit Anthony B, dem wir noch das eigens kreierte T-Shirt, mit einem Foto von ihm, zeigen wollten. Anthony B freundlich und aufmerksam wie beim letzten Mal ruft sogar ein Crewmitglied der ein gemeinsames Wiedersehensfoto von uns schießen soll. Besser konnte der Abend nicht ausklingen.



Montag – 09.07.2007

Wie alle Jahre wieder, wurde bereits ein Teil der Zelte in der Nacht beräumt. Wer es so weit hatte wie wir, konnte damit natürlich erst am frühen Morgen beginnen. Einige Gäste hatten aber immer noch kein Ende gefunden, und von der Verpflegungsstrecke am Informations-Center her, hörte man noch nach Sonnenaufgang eine laute Party über den stillen See hallen.
Emsig am Werke waren schon die vielen Flaschensammler, die allerdings auch so einige andere Sachen mit einsammeln, von denen die nicht aufpassen oder noch ihren Partyrausch ausschlafen. Mehrfach musste ich während unserer Packerei die Jäger und Sammler aus den Vorzelten der noch schlafenden Nachbarn scheuchen, die davon natürlich gar nichts mitbekamen.
Jedes Jahr auch die gleiche Müllhalde am See, die mich immer etwas traurig macht und Kopfschütteln verursacht. Warum geht das nicht ordentlicher? Von uns wird jedenfalls nie ein Krümel auf der Wiese zurückgelassen. Die Stadt Köln und der Veranstalter scheuen in dieser Sache jedenfalls keine Mühe und das Personal geht schon immer Tage zuvor durch die Zelte und verteilt Müllsäcke ohne Ende.



Vielleicht sollte man noch eine Art Müllpolizei einführen, die den größten Dreckmachern auf die Finger pocht. Der Sicherheitsdienst fährt ja nahezu pausenlos durch die Zelte und könnte doch in dieser Richtung auch mal etwas aktiv werden. Mit diesem Vorschlag und meinem Appell, den Fühlinger See in Zukunft etwas sauberer zu halten, möchte ich meine längste Summerjamstory aller Zeiten beenden.

Freuen wir uns auf die 23. Ausgabe des Festivals, die hoffentlich weiterhin am selben Platz stattfinden wird.


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© Text Peter Joachim © Fotos Peter Joachim feat. Marion