Reggae in Berlin

Cocoa Tea***Biological Warfare*tour*13.11.07

Entweder musste sich Cocoa Tea bei den großen Festivalterminen mit anderen Acts die Bühne teilen, oder wurde wegen Programmablaufzwängen viel zu zeitig von der Bühne gebeten. Beim Summerjamauftritt im Jahr 2001 mußte er sich mit einer Vorsängerrolle bei Sizzla begnügen und war nur äußerst kurz zu sehen. Ebenso beim CRS im Jahr 2004, wo er sich die Bühnenzeit von knapp einer Stunde mit Iqulah und Ini Kamoze teilen musste, die wegen Zeitdruck vom Veranstalter so beschnitten worden ist. Aber schlimmer noch sein Auftritt beim Splash 2004, wo er nach 20 Minuten Bühnenshow wegen Programmverschiebungen ziemlich respektlos von der Bühne geholt worden ist.
Deshalb großes Lob an Contour, die Cocoa Tea außerhalb der großen Festivaltermine mit Teilen seiner Tour in Deutschland eingebunden haben. Was sollte da noch schief gehen – Cocoa Tea als Hauptact des Abends. Vor der Show war aber erst einmal ein Besuch bei dem noch jungen Berliner Label IM Music angesagt. Erst kürzlich hatte man sich in großzügigen Räumlichkeiten des Berliner Stadtteils Neukölln eingemietet, steckt noch bis zum Hals in der Aufbauarbeit und hat gewaltige Investitionen zu stemmen. Inhaber des Labels sind Frederic Palzer & Marius Kuhn, die sich bereits mit der kürzlich erschienenen One Riddim Selection „Gangstalaw“ einen Namen gemacht haben. Viele großartige Stimmen und bekannte Namen sind darauf zu finden, Namen wie Michael Rose, Luciano, Natural Black, Queen Ifrica, Turbulence, Lutan Fyah und viele Andere.


Phil von City Lock, der nun auch für das Label IM Music arbeitet, zeigt nicht ohne Stolz und Vorfreude das bisher Erreichte und was noch kommen soll. Dann hat er aber alle Hände voll zu tun. Kurz zuvor war er noch bei Verhandlungen in der naheliegenden Hotelunterkunft von Cocoa Tea, um die Modalitäten, der für diesen Tag geplanten Dubplate Session, auszuhandeln. Die Zeit war knapp. Einerseits war Cocoa Tea erst am frühen Abend in Berlin eingetroffen und andererseits lief die Verhandlung mit Cocoa Tea nicht so wie erwartet. Alle Sounds mussten nun abtelefoniert werden, um die neuen Modalitäten abzustimmen. Die Session vor der Show war damit erst einmal hinfällig. Inzwischen rückte auch die Showtime bedenklich nahe, und Phil der uns zur Location begleiten wollte, war noch nicht abkömmlich. Also fuhren wir schon einmal gemeinsam mit Rasta Voice und Jaakko von IM Music und Black Dillinger, der sich zufällig auch dort aufhielt, in Richtung YAAM davon. Das YAAM befindet sich gleich gegenüber des Ostbahnhofs. Nahezu erdrückend und bedrohlich wirkt die angrenzende Moderne des Ostbahnhofs wenn man vor dem YAAM steht. An dieser Stelle ein paar Worte zur Location, die nicht passender für ein Reggae-Event sein könnte. YAAM (young and african art market) entsteht 1994. Kunst- , Musik – und Sportaktivisten beleben die brachliegende Freifläche und das damalige Busdepot (heute ARENA) und hauchen der bis dato ungenutzten Location Kultur ein. Afrikanische und karibische Stände mit kulinarischen Spezialitäten sorgen für internationalen Flair, es entsteht ein attraktiver Ort zum relaxen und aktiv gestalten, Ideen entwickeln... Konzerte, Ausstellungen, Sportevents... ein attraktiver Treffpunkt für ein multikulturelles Miteinander in Berlin.... Das YAAM entwickelt sich zum Spezialisten temporärer Nutzung und war in Vergangenheit immer in Bewegung. Immer wieder mussten neue Örtlichkeiten in Nutzung genommen und gestaltet werden. Die Berliner Politik hat es bisher nicht schaffen können, dem YAAM zu einem eigenen Gelände zu verhelfen. So kam es zwangsläufig zu immer wechselnden Veranstaltungsorten. Von 1996-1998 war man in Kreuzberg in der Cuvrystraße und musste letztendlich einem geplanten Einkaufsmarkt weichen, den es allerdings wegen Pleite des Investors bis heute noch nicht gibt. Danach folgt eine Odyssee, die mit Hilfe der Arena im Jahr 1999 wieder auf dem ursprünglichen Gelände endet. 2004 ist diese Kooperation aber vorerst wieder beendet und das YAAM befindet sich jetzt gegenüber dem Ostbahnhof am Stralauer Platz 35 am Ende der East-Side Gallery. Aber die Zukunft ist hier immer noch nicht sicher, schon wieder droht man mit Baumaßnahmen. Dieses Mal sollen 3 große Bürohochhäuser auf dem Gelände des YAAM entstehen, was sehr fragwürdig ist, wenn man bedenkt, dass Berlin Spitzenreiter beim Leerstand von Büroflächen in Europa ist!!
Doch zurück zum eigentlichen Geschehen und hinein ins YAAM, welches mit vielen interessanten und liebevollen Details und einer riesigen Anzahl von tollen Graffitis lockt.


Der Startpunkt der Show war in diesem Moment bereits überschritten, aber wir hatten Glück und hatten noch nichts verpasst.
Gleich am Eingang konnten wir Contours Tourmanager Thorsten begrüßen, der es sich wieder nicht nehmen ließ, das Einlassprozedere im Auge zu behalten. Im Innenhof des YAAM war noch für viele Besucher
Relaxen an der Feuerstelle mit afrikanischem Essen angesagt. Währenddessen bereits von innen her die richtige Musik dröhnte, die aber zum Glück noch aus der Konserve kam. Mit etwas Verspätung, die uns aber sehr gelegen kam, wurde dann schließlich die familiär gehaltene Bühne von der Band geentert, die den gut gefüllten Saal mit ein paar Riddims auf die Show einstimmte.



Der ursprünglich angekündigte special guest Ryan war allerdings nicht mit dabei. Dafür erlebten wir Aisha Davis, die gleichzeitig eine der beiden Backgroundsängerinnen des Abends war, mit ein paar eigenen Stücken. Aisha warf sich kräftig ins Zeug und konnte neben einer vielversprechenden Stimme auch mit sportlichen Einlagen überzeugen.

Für den Interessierten hatte sie auch bereits eine eigene Promo-CD mit im Gepäck, die 6 Songs von ihr enthielt. Mehr zu Aisha Davis erfahrt ihr bei www.myspace.com/aishadavismuzik . Endlich war es dann so weit und Aisha kündigte Cocoa Tea an, der sich auch nicht lange bitten ließ.


Cocoa Tea, der eigentlich Calvin George Scott heißt, kann auf eine über 30-jährige Karriere zurückblicken und hat mit seinen über 20 Alben einiges in der Reggaewelt zu sagen. Dementsprechend vielseitig war auch sein Auftritt.



Cocoa Tea machte seinem Namen alle Ehre, der auf seinem früheren Spitznamen beruht und dem jamaikanischen Ausdruck für heiße Schokolade entspricht. Die Massive war völlig aus dem Häuschen und dennoch herrschte eine total lockere und entspannte Atmosphäre, wie man es eben immer wieder bei Reggae-Events bzw. besonders bei den Vertretern des Roots Reggae erleben kann. Jeder konnte das Ereignis auf seine Weise ungestört genießen, entweder lautstark jubelnd, oder mit geschlossenen Augen oder einfach nur starr vor Begeisterung.


Cocoa Tea

Mit Cocoa Teas Version von Bob Marleys „One Drop“ war dann die Stimmung auf dem Höhepunkt. Bob Marley, der natürlich auch für Cocoa Tea der Auslöser seiner Reggaelaufbahn war, war allgegenwärtig. Cocoa zeigte seine besondere Verehrung für ihn durch seine Kette mit dem Bildnis von Bob Marley in der bekannten Fußballerpose, wo bei den meisten anderen Rastas in der Regel HIM anzutreffen ist.

Cocoa Tea Cocoa Tea

Eigens für Berlin gab es auch einen besonderes Stück und Cocoa Tea erinnerte darin an die Berliner Mauer. Sein neuestes Album „Biological Warfare“, welches dieser Tour den Namen gab, wurde natürlich auch auszugsweise vorgestellt und konnte vor Ort erworben werden.


Cocoa Tea Cocoa Tea

Nach knapp zwei Stunden war dann die Show aber endgültig vorüber, obwohl die Massive noch lange lautstark und vergeblich nach der eben verstrichenen Zugabe eine weitere Zugabe einforderte. Wegen der guten Stimmung im YAAM war die kurze Unterbrechung vor der ersten Zugabe den meisten Fans kaum richtig bewusst geworden, was natürlich dazu beitrug, dass man umso mehr nach einer Zugabe verlangte. Sehr sehr zögerlich löste sich die Anspannung und die Massive mußte schließlich durch Musik aus der Konserve auf andere Gedanken gebracht werden.

Fazit: Ein gelungenes Konzert, rundum zufriedene Fans und eine tolle Location! Im YAAM war aber der Abend noch längst nicht zu Ende. Ob draußen oder drinnen, überall natürlich die beste Stimmung, lautstark untermalt von Reggaeklängen, die es einem schwer machten die Location zu verlassen.

Gerne wären wir noch etwas geblieben, aber noch stand die geplante Session mit Cocoa Tea auf dem Programm. Also ging es zurück ins Studio von IM Music, währenddessen wir gleich Aishas Promo-CD in den Player warfen. Im Auto kam ihre gute Stimme noch besser zur Geltung, allerdings fehlten meines Erachtens nach die richtigen Reggae-Riddims. Offenbar wird Aisha eine andere Richtung einschlagen. Nahezu zeitgleich traf auch Cocoa Tea im Studio ein. Der Zeitplan war knapp, Cocoa Tea legte seinen Wintermantel gar nicht erst ab und schritt sofort zur Sache.

Cocoa Tea


Die Session ging zügig voran, fand aber leider plötzlich ein viel zu schnelles Ende. Cocoas hohe Stimmlagen konnte er nicht mehr wie gewollt rüberbringen. Das gute Konzert forderte nun gnadenlos seinen Tribut. Der Vorschlag nur Riddims zu voicen, wo nicht so sehr die hohen Stimmlagen gefordert sind, schlug natürlich auch fehl. Wenn man nicht die volle Bandbreite von Cocoas Stimme für den gewünschten Plate bekommt, ist das natürlich schade um die Mühen und nur halbe Sache. Auch der Vorschlag „Heiße Schokolade“ mit Fisherman´s oder Tee zusammenzubringen, wurde von Cocoa Tea nicht als erfolgsversprechend angesehen. Zum Leidwesen der Sounds musste daher wieder einmal eine Session vorzeitig abgebrochen werden. Das ist aber nichts Neues und damit muss man rechnen.


Cocoa Tea
Links neben Cocoa Tea steht Rasta Voice und Black Dillinger, die alle Beide auch auf der „Gangstalaw“ zu hören sind. Rasta Voice, der bürgerlich Michael O. Morgan heißt, war zugleich executive producer des Albums für IM Music.


Cocoa Tea
Rasta Voice und Black Dillinger mit Marion.


Cocoa Tea verabschiedete sich und bekam natürlich noch ein Exemplar der „Gangstalaw“ mit auf dem Weg. Für uns war das natürlich auch das Signal zum Aufbruch, so gerne wir noch geblieben wären, aber eine fast zweistündige Fahrt durch die Nacht lag noch vor uns.
Ebenfalls mit einem Exemplar der „Gangstalaw“ unter dem Arm, brachte uns Phil zur Tür und erzählte von weiteren Eisen, die man bereits im Feuer hat. Wie er freudig berichtete, war man bereits eigens in Jamaika um Stücke mit Jah Cure und Anderen aufzunehmen. Man wird künftig öfter noch Veröffentlichungen von IM Music zu hören bekommen. Wir hoffen und bitten darum! Eine sehr gute Selection wie sich bald darauf zeigte.

© Text Peter Joachim
© Fotos Peter Joachim feat. Marion

Mein besonderer Dank geht an Lena vom YAAM, Thorsten von der Contour Music Promotion GmbH, Phil von City Lock/IM Music, sowie an das Label IM Music und natürlich an Cocoa Tea selbst, die mit zum Gelingen dieser Story beigetragen haben.

Weitere Bilder zu diesem Event findet Ihr bei www.yaam.de unter dem Button „About YAAM“ und dort unter dem Button „Gallery & Flyer“.

Interessenten für das Album „Gangstalaw“ sollten sich bei www.immusic.de und www.myspace.com/gangstalaw einklinken.

Cocoa Teas neuestes Album „Biological Warfare“ ist bereits überall im Handel erhältlich.



Fotos vom Konzert bei ReggaeInBerlin.